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Strate­gische Führung in Öster­reichs Kranken­an­stalten

18. November 2025 | Paul Köglberger
Erfahrener Arzt.
Erfahrener Arzt.

Österreichs Spitäler stehen vor tiefgreifenden Veränderungen. Um die Positionierung der Kliniken zu stärken, ist eine agile und zukunftsorientierte strategische Führung des ärztlichen Dienstes unverzichtbar.

Krankenanstalten (KA) unterliegen einer Vielzahl von Regelungen, deren Ursprung rechtlicher Natur ist. Vorgaben hinsichtlich der strategischen Unternehmensführung des ärztlichen Dienstes in Österreichs größten Kliniken fehlen. Daher schien es sinnvoll, die allgemeinen Ansichten und Ansätze der strategischen Führung des ärztlichen Dienstes seitens der medizinischen und wirtschaftlichen Geschäftsführung in Österreichs größten KA zu erforschen, um zukünftige Empfehlung bzw. Leitlinien für diesen Bereich entwickeln zu können. Die Langfassung dieser Arbeit ist unter dem Titel „Strategische Führung des ärztlichen Dienstes in den größten österreichischen Krankenanstalten“ bei Springer Nature abrufbar (siehe Quellen und Links weiter unten). Spitäler gelten als die teuerste Struktur der Gesundheitsversorgung und sollen entsprechend Teil der 2023 angekündigten Gesundheitsreform für Österreich sein. Spitäler verfügen über eine komplexe Infrastruktur und sind auf schwere Erkrankungen ausgerichtet. Daher sollen Patient*innen künftig nach dem Motto „Digital vor ambulant vor stationär“ behandelt werden. In den KA sollen die Fachambulanzen/Spezialambulanzen, Tageskliniken und vorgelagerte Einrichtungen ausgebaut werden, damit weniger Patientinnen stationär aufgenommen werden müssen. Die damit einhergehende strukturelle Transformation des Krankenanstaltenwesens kommt schon jetzt durch kontinuierlich sinkende Zahlen an Krankenanstaltenbetten zum Ausdruck. Daher wird es für KA in den nächsten Jahren umso wichtiger sein, sich strategisch zu positionieren, um am Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu ergab eine rezente Befragung verantwortlicher Entscheidungsträger in Österreich, dass neben der Strategieentwicklung die Priorisierung strategischer Themenfelder zu den wesentlichsten zukünftigen Herausforderungen für das strategische Management in KA zählt. Strategische Führung wird so zu einer Balanceleistung, bei der es darum geht, Kontinuität zu wahren und dennoch flexibel zu bleiben. Dabei ist es für Führungskräfte in KA essenziell, die Chancen sowie Risiken des Gesundheitsmarktes sowie die inneren Stärken und Schwächen des Unternehmens zu kennen.

Die Methodik der Studie stützt sich auf semistrukturierte, leitfadengestützte Experteninterviews, die im Frühjahr 2024 mit Vertreterinnen und Vertretern der strategischen Führung des ärztlichen Diensts durchgeführt wurden. Grundlage war eine schriftliche Anfrage an 14 Krankenanstalten, die nach klar definierten Einschlusskriterien ausgewählt wurden: Sie mussten in Österreich liegen und entweder die größte Einrichtung ihres Bundeslandes sein oder über mehr als 800 Betten verfügen. Sechs Anstalten aus vier Bundesländern nahmen teil, insgesamt standen sieben Expertinnen und Experten zur Verfügung, vier aus der ärztlichen und drei aus der wirtschaftlichen Geschäftsführung. Die Interviews dauerten 45 – 60 Minuten, wurden aufgezeichnet, transkribiert und nach den Regeln von Dresing und Pehl inhaltsanalytisch nach Mayring ausgewertet. Die Qualitätssicherung erfolgte anhand der acht Gütekriterien nach Krippendorff.

 

Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken

Die Ergebnisse machen deutlich, dass erfolgreiche strategische Führung auf vier Grundpfeilern beruht: erstens einer klaren Vision, zweitens wirksamer Kommunikation, drittens der Fähigkeit zur Anpassung und viertens konsequenter Entscheidungsstärke. Unter allen befragten Expert*innen beinhaltet die Vision als zentrales Merkmal die Patient*innenversorgung als Unternehmensangebot der KA. Die meisten Expert*innen wollen als „Best Point of Service“-Gesundheitsdienstleister im Sinne der Verfügbarkeit, Erreichbarkeit und Qualität auftreten. Visionen sind dann tragfähig, wenn sie nicht abstrakt bleiben, sondern in konkrete Handlungen übersetzt werden. Kommunikation wiederum ist der Schlüssel, um Orientierung zu geben und Akzeptanz zu sichern. Anpassungs­fähigkeit zeigt sich in der Bereitschaft, Pläne bei Veränderungen zu überdenken, ohne dabei das langfristige Ziel aus den Augen zu verlieren. Entscheidungsstärke bedeutet, auch in unsicheren Situationen Handlungsfähigkeit zu beweisen und Entscheidungen zu vertreten, selbst wenn sie mit Risiken behaftet sind.

Ein wiederkehrendes Thema in den Interviews ist die Bedeutung von Vertrauen. Führungskräfte berichten, dass Strategien nur dann wirksam umgesetzt werden können, wenn Vertrauen zwischen Leitungsebene und Mitarbeitenden besteht. Transparenz und Partizipation sind zentrale Faktoren, um dieses Vertrauen aufzubauen. Darüber hinaus spielt die Förderung von Eigenverantwortung eine große Rolle: Mitarbeiter, die Verantwortung übernehmen können und wollen, identifizieren sich stärker mit den Zielen. Damit wird Vertrauen zu einem Bindeglied zwischen strategischer Planung und operativer Umsetzung. Hervorgehoben wurde auch die Rolle des Umgangs mit Unsicherheit. Erfolgreiche Führungskräfte verstehen es, Risiken nicht nur zu minimieren, sondern aktiv in ihre Strategien einzubeziehen. Dies beinhaltet, Ambiguitäten auszuhalten, Optionen offenzuhalten und Szenarien zu entwickeln. Strategische Führung zeigt sich hier als Fähigkeit, trotz unvollständiger Informationen konsistente Entscheidungen zu treffen.

Ein weiterer Aspekt ist die Bedeutung von Feedbackschleifen: Lernen wird als kontinuierlicher Prozess gesehen, der Anpassungen erlaubt und Innovation fördert. Gerade in dynamischen Branchen erwies sich dies als Erfolgsfaktor, da Organisationen so schneller adäquat auf Veränderungen reagieren konnten.

Darüber hinaus verdeutlichten die Interviews, dass strategische Führung nicht nur ein Top-Down-Prozess ist, sondern auch stark von der Partizipation der Mitarbeitenden abhängt. Besonders in wissensintensiven Organisationen zeigen sich deutliche Vorteile, wenn Teams aktiv in Strategieprozesse eingebunden werden. Dies führt nicht nur zu einem höheren Maß an Akzeptanz, sondern auch zu einer besseren Nutzung vorhandener Kompetenzen. Die Analyse zeigt zudem, dass die Fähigkeit zur Priorisierung eine zentrale Kompetenz darstellt. Strategische Führung ist immer auch eine Kunst des Weglassens: Führungskräfte müssen entscheiden, welche Initiativen wirklich verfolgt werden, um Ressourcen gezielt einzusetzen. Diese Fähigkeit, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und zu ertragen durch eine bewusste oder unbewusste Wahl für eine Option, gleichzeitig eine andere alternative Option abzulehnen, erwies sich in allen untersuchten Kontexten als entscheidender Erfolgsfaktor.

Die Interviews beleuchteten systembedingte Schwächen: Im Bereich der Betriebsausrichtung und Strategieumsetzung wurde eine staatsnahe beamtenähnliche Betriebsform mit wenig Agilität bei geringer Entscheidungsautonomie angemerkt. Weiters wurde die unzureichende Ausrichtung der Organisationsstruktur im Hinblick auf die demografische Entwicklung, mangelnd ausgeprägte extramurale Kooperationen sowie ineffziente und kostenintensive Parallel- bzw. Doppelstrukturen als Schwächen genannt. Bei den Schwächen im Bereich des Personals wurde auf allgemein sinkende Versorgungsvalenzen und unzureichende Arbeitgeberattraktivität im Vergleich zu extramuralen Einrichtungen hingewiesen.

Bezüglich der Chancen im Zusammenhang mit Veränderungen der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen, der Organisation und Kooperationen im Gesundheitswesen wurden eine Systemreformierung und Leistungsbündelung der öffentlichen Gesundheitsversorgung, das Best-Point-of-Service-Konzept sowie eine gezielte Patientenlenkung angeführt. Positiv wird auch die erleichterte Errichtung von Primärversorgungseinheiten durch Krankenanstalten gesehen sowie eine Reduktion von Langliegern durch Übergangs- und Langzeitpflegeeinrichtungen. Eine bessere intra- und extramurale Vernetzung und eine Strukturreform des ärztlichen Dienstes zählen ebenfalls zu den Potenzialen, die mobilisiert werden sollten. Eine weitere Chance ergibt sich aus personeller Sicht durch Studienabgänger und Jungmediziner, die bereits im Studium eine interprofessionelle Ausbildung erhalten. Technologisch und wissenschaftlich wurden Chancen in der künstlichen Intelligenz, der Telemedizin, der industrieassoziierten Forschung sowie in medizinischen Innovationen gesehen.

Bei den Risiken im Bereich gesundheitspolitische Rahmenbedingungen und Organisation der Krankenanstalten wurden verschiedene Stakeholderinteressen, Abhängigkeiten und mangelnde Flexibilität im öffentlichen Bereich, Fremdbestimmung durch Behörden, eine zunehmende Bürokratisierung und Verrechtlichung („Gold-Plating“) genannt. Weitere Risiken betreffen eine mögliche Ausweitung der „Zwei-Klassen-Medizin“, Mittel- und Leistungsverknappungen im öffentlichen Bereich sowie eine Verlagerung von Leistungen in den rein privaten Sektor. Hinzu kommen mögliche Störungen in Lieferketten, in der IT-Infrastruktur und Cyberbedrohungen, die die Versorgung gefährden können. Personell droht ein zunehmender Fachkräftemangel, insbesondere bei qualifizierten Führungskräften. Patient*innenbezogene Risiken ergeben sich aus der alternden, multimorbiden Bevölkerung, einem wachsenden Versorgungsauftrag sowie neuen systembelastenden Erkrankungen und künftig möglicherweise häufigeren Epidemien und Pandemien.

Den Themen künstliche Intelligenz (KI) und Digitalisierung wird in den Analysen großer Raum gegeben. Sie besitzen hohes Potenzial für Krankenanstalten, vor allem als Ergänzung und Unterstützung im klinischen Alltag. Erwartet werden Effizienzgewinne in diagnostischen Fächern wie Radiologie, Pathologie oder Dermatologie sowie in Notaufnahmen. KI kann Prognose- und Diagnoseprozesse kombinieren, standardisierte Abläufe unterstützen und längerfristig Personal entlasten. Dennoch bleibt ärztliche Expertise für Plausibilisierung und Verantwortung unverzichtbar. Auch im Verwaltungsbereich bestehen große Möglichkeiten zum Effizienzgewinn sowie im Rahmen der Nutzung von Routinedaten zur Prozessoptimierung und Qualitätssicherung durch KI. Dies erfordert aber klare Regelungen zu Datenschutz und Haftung. Als Basis für effizienten KI-Einsatz wird die Digitalisierung geeigneter medizinischer Prozesse angesehen. Digitalisierung und KI sollen Effizienz steigern, papierbasierte Abläufe ablösen und Patientenpfade nachvollziehbar machen. In der Praxis bestehen jedoch Hindernisse: geringe Innovationskraft, Abhängigkeit von externen Einrichtungen, unzureichende Systemreife und hoher Kostenaufwand. Positive Erfahrungen wurden etwa aus dem Bereich der Anästhesie- und Intensivmedizin sowie dem Hygienemanagement berichtet.

 

Frage der Unternehmenskultur

Die Erhebung verdeutlicht, dass strategische Führung weit mehr ist als ein methodisches Instrumentarium. Sie ist eng mit Fragen der Kultur, der Machtverteilung und der organisationalen Lernfähigkeit verknüpft. Die Ergebnisse legen nahe, dass klassische Führungsmodelle, die stark hierarchisch ausgerichtet sind, an ihre Grenzen stoßen. Gefragt sind vielmehr Ansätze, die Kooperation, Selbstorganisation und kollektive Intelligenz nutzen. Strategische Führung wird so zu einer integrativen Aufgabe, die Top-Management, mittlere Führungsebenen und Mitarbeitende gleichermaßen einbezieht.

Ein Spannungsfeld ergibt sich zwischen kurzfristigem Erfolgsdruck und langfristiger Orientierung. Während Märkte oft schnelle Resultate verlangen, braucht es für nachhaltige Strategien Zeit, Ressourcen und Beharrlichkeit. Führungskräfte müssen daher Prioritäten setzen und ihren Stakeholdern die Notwendigkeit von Investitionen in die Zukunft vermitteln. Besonders relevant ist dies in Krisenzeiten, in denen operative Themen dominieren, aber gleichzeitig die Weichen für die Zukunft gestellt werden müssen. Hier zeigt sich, ob Führung in der Lage ist, kurzfristige Stabilität mit langfristiger Transformation zu verbinden. Ein zweites Spannungsfeld besteht zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung. Strategische Entscheidungen erfordern einerseits einheitliche Leitlinien, andererseits Anpassungen an lokale Kontexte. Organisationen, die es schaffen, globale Standards mit lokaler Flexibilität zu verbinden, sind erfolgreicher. Dies zeigt, dass strategische Führung nicht im Alleingang funktioniert, sondern auf Dialog, Übersetzungsleistungen und kulturelle Sensibilität angewiesen ist. Eine besondere Rolle spielt hierbei die mittlere Führungsebene, die als Übersetzer zwischen Top-Management und operativer Basis agiert.

Die Untersuchung bestätigt die Schlüsselrolle strategischer Führung für die Zukunftsfähigkeit von Organisationen. Österreichs Krankenanstalten befinden sich im Wandel und stehen in einem zunehmend diversifizierten Wettbewerb zueinander. Wesentlich für jede Einrichtung ist eine Unternehmensstrategie, die auf Vision, Mission, Werten und Kultur basiert. Mithilfe einer SWOT-Analyse, die interne Stärken und Schwächen sowie externe Chancen und Risiken erfasst, können strategische Schwerpunkte festgelegt werden. Managementmethoden wie die SMART-Methode (Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und Terminiert) oder der PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) unterstützen dabei, Unternehmensziele klar zu definieren und zu erreichen. Zielkonflikte lassen sich durch Priorisierung von Aufgaben und Themen sowie durch transparente Kommunikation nach innen und außen vermeiden. Ein flexibles, anpassungsfähiges und zukunftsorientiertes Management fördert zudem eine agile Entscheidungskultur und trägt so wesentlich zum langfristigen Erfolg der Krankenanstalt bei. Strategische Führung darf daher nicht als einmaliger Akt, sondern als ein fortlaufender Prozess betrachtet werden. Sie verlangt Reflexion, Anpassung und die Bereitschaft, eigene Positionen zu hinterfragen. Für Organisationen bedeutet dies, Strukturen zu schaffen, die strategische Führung fördern: durch transparente Entscheidungswege, eine Kultur der Zusammenarbeit und gezielte Förderung von Führungskompetenzen. Wer dies berücksichtigt, ist besser gerüstet, um die Herausforderungen einer komplexen und unsicheren Welt generationenübergreifend zu meistern. Zugleich zeigt sich, dass strategische Führung nicht nur von einzelnen Personen abhängt, sondern in der kollektiven Verantwortung aller Führungsebenen liegt. Strategische Führung ist immer dann besonders wirksam, wenn sie als verbindendes Element zwischen Strategieentwicklung, organisationaler Kultur und individueller Führungskompetenz verstanden wird. In diesem Sinne ist sie ein Schlüsselfaktor für nachhaltigen Erfolg. 

Quelle: ÖKZ 5/2025, 66. Jahrgang, Springer Verlag.

 

Quellen und Links:

Strategische Führung des ärztlichen Dienstes in den größten österreichischen Krankenanstalten/Springer Nature: link.springer.com/article/10.1007/s00740-025-00551-9

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