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"Ohne Pande­mie hätten wir keine Pflege­reform"

1. Juli 2022 | Josef Ruhaltinger
Pflegerin kümmert sich um Patientin.
Pflegerin kümmert sich um Patientin.

Frau Dieplinger, welche Spuren hat Corona bei Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der Pflege hinterlassen?

Dr. Anna Maria Dieplinger,<br>Abteilungsleiterin für das Kompetenzmanagement <br>Gesundheits- und Sozialberufe,<br>Medizinischen Direktion<br>OÖ Gesundheitsholding GmbH
Dr. Anna Maria Dieplinger, Abteilungsleiterin für das Kompetenzmanagement Gesundheits- und Sozialberufe in der Medizinischen Direktion der OÖ Gesundheitsholding GmbH.
Troubleshooting unter Höchststress geht an die Substanz.

Dr. Anna Maria Dieplinger,
Abteilungsleiterin für das Kompetenzmanagement 
Gesundheits- und Sozialberufe,
Medizinischen Direktion
OÖ Gesundheitsholding GmbH

"... Eine Mitarbeiterin hat mir erzählt, dass sie bei Arbeitsantritt am meisten unter der Sorge gelitten hat, nicht zu wissen, wer von den Patienten überlebt hat. Bei konventionellen Krankheitsbildern stellt man sich darauf ein, wem geht es schlecht und wem nicht. Bei Corona konntest du das nicht sagen. Patienten, mit denen du am Abend gescherzt hast, waren am Morgen nicht mehr da. Wir haben sehr früh bemerkt, dass wir hier mit Methoden der Arbeitspsychologie und Krisenintervention arbeiten müssen, um den Kolleginnen und Kollegen Unterstützung zu geben."
 

Wie viele Pflege-Mitarbeiter haben in der Oberösterreichischen Gesundheitsholding in den letzten zwei Jahren gekündigt?

"Ich muss sagen: Ich weiß es nicht genau. Aber es waren nicht wesentlich mehr als in normalen Zeiten. Diejenigen, die gegangen sind, haben andere Angebote gehabt und ich bin überzeugt, dass wir sie so und so nicht hätten halten können. Und ich beobachte den anderen Trend: Viele haben sich im positiven Sinne vorgenommen: Jetzt erst recht. Von außen kam auf einmal Wertschätzung, wo vorher Gleichgültigkeit herrschte. Und das ist wichtig."
 

Gleichgültigkeit?

"Als ich 1991 mein Krankenpflege-Diplom machte, hatte die Pflege speziell in Österreich und Deutschland einen überschaubaren Berufsstatus. Auf internationaler Ebene war dies schon ganz anders: In den USA gibt es die akademische Pflegeausbildung seit hundert Jahren, in Großbritannien und Frankreich verfügt die Krankenpflege seit jeher über großes Renommee. Bei uns war und ist es – ich drücke es jetzt vorsichtig aus – noch nicht ganz so weit."
 

Hat die Pandemie geholfen, den Stellenwert der Krankenpflege zu heben?

"Da bin ich ganz sicher. Ohne Pandemie würden wir über keine Pflegereform reden. Dabei hat das Virus die Umstände nicht verändert: Auch so war klar, dass ohne Gegenmaßnahmen 2030 zehntausende Pflegekräfte fehlen werden. Das hat außer uns nur niemanden interessiert."
 

Jetzt gibt es eine Pflegereform. Was war Ihre erste Reaktion?

"Endlich!"
 

Das war alles?

"Ich bin froh, dass die Politik das Thema endlich aufgreift. Gefühlte Jahrzehnte gab es Arbeitskreise und Task Forces. In Wirklichkeit hat man sich darauf verlassen, dass wir wieder die Löcher stopfen. Wir haben gelernt, mit Notfällen zu Rande zu kommen. Die Pflegereform ist ein erster Anschub, um die Rahmenbedingungen unserer Arbeitsrealität anzupassen."
 

Sind die vorgestellten Maßnahmen geeignet, das Pflegesystem Österreichs zu modernisieren?

"Es ist ein Anfang, Dinge ins Rollen zu bringen. Aber selbst für einen Anfang wurden wichtige Dinge ausgespart."
 

Was fehlt am meisten?

"Die Kompetenzerweiterung der Pflege ging in die völlig falsche Richtung. Es ist aus Sicht des Gesamtsystems ein großes Versäumnis, dass bei den diplomierten Kräften keine erweiterten Zuständigkeiten geschaffen wurden. Dieser Punkt muss bei der Evaluierung 2023 unbedingt aufgegriffen werden."


Worum soll es gehen?

"Der Mediziner soll dann gerufen werden, wenn es pathologisch wird. Alles, was man vorher für den Patienten tun kann, kann von gut ausgebildeten und spezialisierten Pflegekräften geleistet werden. Bis jetzt dürfen sie das nicht. Pflegekräfte können Routineuntersuchungen organisieren, ohne dass der Arzt dabei zuschaut. Der Arzt kommt ins Spiel, wenn diagnostiziert und zu entscheiden ist, wie es weitergeht. Diplompfleger mit Masterabschluss sollen im Pflegesystem mehr Verantwortung übernehmen. Niemand nimmt hier irgendjemandem etwas weg."
 

Es wird mehr Kompetenzen für Pflegeassistenten geben. Hilfreich oder nicht?

"Dazu muss man die Prozesse in einer Klinik betrachten. In einer kleinen Klinik-Ambulanz brauche ich eine diplomierte Fachkraft. Da bringt mir eine Assistentin gar nichts, da sie in vielen Bereichen nur neben einer Diplomkraft eingesetzt werden kann. In größeren Einheiten, in denen mehrere diplomierte Pflegerinnen arbeiten, dort kann ich eine Assistenzkraft einplanen – zusätzlich zur diplomierten Kraft, deren Anwesenheit vorgeschrieben ist. Die erweiterten Kompetenzbestimmungen für Assistenzkräfte haben im klinischen Tagesablauf wenig Relevanz. Für die überwiegende Mehrheit aller Pfleger und Pflegerinnen – 80 Prozent sind diplomiert – ändert sich gar nichts. Das ist eine Vergeudung von Wissen und Geld, ebenso wie das Versäumnis, endlich den Beruf der selbstständigen Pflegefachkraft zu schaffen. Das würde das Berufsbild deutlich aufwerten."
 

Was meinen Sie damit?

"Die Pflegekräfte stellen die größte Berufsgruppe im österreichischen Gesundheitswesen. Sie dürfen ihre Dienste aber nicht in allen Feldern selbstständig mit den Kassen abrechnen, wie dies Physiotherapeuten, Ergotherapeuten oder Hebammen ganz selbstverständlich tun. Auch das muss nachgebessert werden. Durch selbstständige Pfleger mit professioneller Ausbildung können Prävention und Hausbetreuung deutlich intensiviert werden. Und es verleiht dem Beruf eine neue Chance."
 

Wie sind die Gehaltsaufbesserungen und die zusätzliche Urlaubswoche für über 43-Jährige zu bewerten?

"Mehr Gehalt ist immer willkommen. Aber die Zubesserungen werden keine Berufswünsche verändern oder die Kolleginnen im Beruf halten. Für positiv halte ich die Ausbildungsentschädigung, die den Berufseinstieg erleichtern wird. Die Zusatzwoche Urlaub ist in vielen Kliniken seit Längerem üblich."

Quelle: ÖKZ 6-7/2022, 63. Jahrgang, Springer-Verlag.

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