CompuGroup Medical
Synchronizing Healthcare

Erfahren Sie alles über die Vision, Mission sowie die Menschen, die die CompuGroup Medical weltweit prägen. 

Investor Relations
Eine Person tippt mit dem Finger auf ein Tablet-PC mit einer Investor-Relations-Präsentation
Karriere
Eine junge Frau telefoniert mit ihrem Smartphone, während sie einen Tablet-PC hält
CGM Global
Mehrere CGM-Flaggen

Pflegenot

Ja, die Pandemie ist in vieler Hinsicht belastend. Pflegekräfte haben allerdings schon vorher oft unter suboptimalen Bedingungen gearbeitet – umso intensiver fallen die Auswirkungen der aktuellen Situation aus.

„Durch die letzten Monate ist noch deutlicher geworden, wie relevant die Pflege als größte Gruppe der Gesundheitsdienstleister für die Patientenversorgung ist“, betont der Pflegeexperte und Mediator Roland Nagel

150.000 Menschen sind derzeit in der Pflege tätig, und in der derzeitigen Diskussion um die Intensivpflege gehe es nicht um die Zahl der verfügbaren Intensivbetten, sondern darum, wie viel Personal vorhanden ist und unter welchen Rahmenbedingungen dieses arbeiten muss. Viele der Belastungsfaktoren, die Pflegekräfte in Zusammenhang mit der Pandemie anführen (siehe Kasten), waren schon vorher vorhanden, „besonders das Personalproblem, also sowohl in Bezug auf Pflegeschlüssel, die Überforderung oft geradezu provozieren, als auch hinsichtlich teils erheblicher Schwierigkeiten, Posten zu besetzen, was wieder zu Mehrbelastung der anderen Pflegekräfte führt“. Nagel sagt, dass das seit Jahren vor allem für das Feld der stationären Langzeitpflege und der mobilen Hauskrankenpflege gilt und dass auch bundeseinheitliche Qualitätskriterien fehlen. In manchen Einrichtungen seien für Nachtdienste für 130 Personen – die Mehrzahl hochaltrige, multimorbide, zuweilen demente Personen mit mindestens Pflegestufe vier – nur zwei Pflegekräfte zuständig. Eine vor der Pandemie umgesetzte Studie der OECD[1] zeigt, dass in Österreich 35 Prozent der Befragten von gesundheitlichen Problemen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit berichten – im OECD-Schnitt sind es 15 Prozent. 68 Prozent der Befragten in Österreich geben an, nach einem Arbeitstag sehr stark erschöpft und ausgelaugt zu sein. 

 

Überforderung in Zahlen

Seit März 2020 wurde eine große Zahl an Studien publiziert, die sich mit den Auswirkungen der Pandemie auf Gesundheitsdienstleister und besonders auf Pflegekräfte auseinander setzen. Ergebnisse: 

  • Sie sind die am stärksten belastete Gruppe während der Pandemie.
  • In den letzten 14 Monaten ist der Arbeitsalltag durch deutlich mehr an körperlichen und psychischen Belastungen geprägt sowie durch eine Verdichtung von Aufgaben.
  • deutliche Ausweitung der Tätigkeitsfelder, oft ohne Einarbeitung bzw. Geräteeinweisung & im Pandemie-Kontext
  • erhebliche Belastung durch Stresserleben, depressive und ängstliche Symptome
  • Intensive und kontinuierliche Sorge vor Eigen- oder Fremdansteckung, wobei Pflegende eher fürchteten, Familie, Freunde oder Patienten anzustecken, als sich selbst zu infizieren. Getriggert wird dies ebenso durch ständige Verdachtsfälle bei Kollegen, Patienten, Angehörigen und im eigenen Familienumfeld.
  • Auch Pflegekräfte haben Familie, müssen nach dem Dienst Kinder im Home-Schooling begleiten; dazu kommen radikal reduzierte Zugriffsmöglichkeiten auf helfende Netzwerke etwa durch Großeltern, Freunde und Nachbarn.
  • negativer Einfluss der Pandemie auf die Stimmung; in vielen Studien zeigen sich verstärkte Hinweise auf Anpassungsstörungen, vermehrte Symptome von Angststörungen sowie Depressionen.
  • Pflegekräfte geben die schlechteste subjektive Gesundheit an. Ein erhöhter Alkohol- und Zigarettenkonsum scheint als Copingstrategie während der Krise zuzunehmen.
  • Gerade Pflegekräfte fühlen sich von der Politik eher alleingelassen und beklagen oft eine mangelhafte bzw. schwerfällige Informationspolitik der Arbeitgeber sowie immer wieder Verzögerungen bei der Umsetzung präventiver Maßnahmen.
  • regelmäßiger Mangel an Schutzausrüstung, Desinfektionsmittel, medizinischem Material und Weiterbildungsmöglichkeiten; und insbesondere im ambulanten Sektor scheinen weniger Covid-19-spezifische Trainings angeboten zu werden.
  • Nicht nur in Österreich: akuter Personalmangel bei ambulanten Diensten und stationären Pflegeeinrichtungen, wobei darauf hingewiesen wird, dass es schon vor Covid in diesen Feldern viele belastende Faktoren gab, die sich ebenso negativ auf Patientensicherheit und Arbeitsqualität auswirken.

In den Studien als dringend nötige Maßnahmen genannt werden u.a.: Sicherstellung der Verfügbarkeit von Verbrauchsmaterial und medizinischem Gerät, Personalmanagement, die präventive Intervention, die Förderung der Resilienz und sozialer Unterstützung, bessere Vergütung und mehr Qualifizierungsmöglichkeiten. Ebenso häufig genannt werden höhere Personalschlüssel. 

Gerald Mjka, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft vida sowie Vorsitzender des dortigen Fachbereichs Gesundheit, ist ebenso der Ansicht, dass diese dringend an aktuelle Anforderungen angeglichen bzw. deutlich evidenzbasierter berechnet werden müssten. „Es reicht aber nicht, nur Personalschlüssel festzulegen, es muss auch Sorge dafür getragen werden, dass diese tatsächlich erfüllt werden bzw. ausreichend Personen die nötige Ausbildung haben, um hier tätig zu werden.“ 

Mjka verweist auf Daten, die bereits 2018 unter über 14.000 Pflegekräften in Österreich erhoben wurden: Demnach denkt ein Drittel der Befragten aufgrund der belastenden Rahmenbedingungen mindestens einmal im Monat ernsthaft darüber nach, den Beruf zu wechseln.[2]

Gerald Mjka, <br>Stv. Vorsitzender der Gewerkschaft vida,<br>Vorsitzender des dortigen Fachbereichs Gesundheit
Gerald Mjka, Gewerkschaft vida
Arbeit am Limit war also schon vor COVID so etwas wie Alltag, die Pandemie wirkt wie ein Brennglas bei diesen Problemen, sie werden noch intensiver für die Gesundheitsdienstleister spürbar

Gerald Mjka, 
Stv. Vorsitzender der Gewerkschaft vida,
Vorsitzender des dortigen Fachbereichs Gesundheit

Implizierte Rationierung von Pflegetätigkeiten 

Hanna Mayer leitet das Institut für Pflegewissenschaft der Universität Wien und sieht die Probleme aus einer anderen Perspektive. Im Gespräch mit der ÖKZ weist sie im Zusammenhang mit der Pandemie auf die Angst der Pflegekräfte hin, sich selbst anzustecken und damit ebenso das eigene familiäre oder soziale Umfeld sowie Patienten und Bewohner zu gefährden, indem man das Virus in die Einrichtung hineinträgt. Und noch etwas anderes spiegelt sich in diversen Studien wider (siehe Aufzählungen oben): 

„Steigen Arbeitslast und Zeitdruck, dann kommt es zu ‚impliziter Rationierung von Pflegetätigkeiten‘, einem Phänomen, das international zu beobachten ist: Genuin pflegerische Aufgaben und Handlungen – zumeist ganz patientennahe Tätigkeiten – werden zugunsten medizinischer oder administrativer Leistungen weggelassen oder nur unvollständig ausgeführt.“ 

Das Bewusstsein, Tätigkeiten, die von Pflegepersonen grundsätzlich als wichtig angesehen werden, rationieren zu müssen, erhöht den Druck und zieht ein Gefühl der Überlastung und Erschöpfung nach sich. Gleichzeitig steigert der Eindruck, die Tätigkeiten, die den Beruf ausmachen, die dem Berufsethos entsprechen, zu vernachlässigen, „den Frust sowie die Wahrscheinlichkeit des Wunsches nach einem Berufswechsel“

Wobei, wie Mayer betont, dies in vielen Feldern schon vor Beginn der Pandemie ein wachsendes Problem gewesen sei. Die Wahrnehmung und Auswirkungen der schon lange belastenden Rahmenbedingungen im Pflegebereich haben sich in den letzten Monaten verstärkt. Hinzugekommen sind etwa die Anforderung, ständig in Schutzkleidung zu arbeiten, und ein intensives Ausmaß an Ungewissheit in Bezug auf die Entwicklung der Pandemie und ihrer möglichen Auswirkungen auf gesellschaftlicher und individueller Ebene. 

„Zum Ethos von Pflegekräften gehört das Bemühen um die Sorge für andere, die sich auch stark in Nähe und intensiver Beziehungspflege ausdrückt. Das Gesicht verhüllen zu müssen, Schutzkleidung, die Berührungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren und Abstand zu halten – all das steht tagtäglich im Widerspruch zu Nähe, zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der so wichtigen Beziehung zu Pflegebedürftigen“, analysiert Mayer. 

Mehr noch: Nähe wird quasi mit möglicher Gefährdung anderer gleichgesetzt. Dazu kommt: Besuche von Spitalspatienten oder Heimbewohnern waren lange fast unmöglich und sind nach wie vor sehr eingeschränkt. Pflegekräfte, vor allem jene im Bereich der institutionellen Langzeitpflege, müssen auch hier kompensieren: sowohl in Bezug auf vermehrte Unterstützung bei Alltagshandlungen als auch auf einer psychischen und sozialen Ebene. Die Pflegewissenschaftlerin sagt: „Für diese zusätzlichen Aufgaben gibt es aber nicht mehr zeitliche Ressourcen, ganz im Gegenteil …“ Aus Erfahrung zu wissen und zu bemerken, was Pflegebedürftigen guttut, dies aber nur in sehr eingeschränktem Maß umsetzen zu können, verstärke den ständigen inneren Konflikt. 

Und schließlich kommen gerade im Intensivbereich, aber auch in anderen Betreuungsfeldern, Personen mit COVID, deren Perspektive auf Heilung sehr schlecht ist, darunter immer mehr jüngere Menschen. Auch das belastet das Pflegepersonal. 

 

Was es braucht 

Typisch österreichisch sind systematische Daten auch zum Pflegebereich Mangelware. „Diese müssten regelmäßig erhoben werden, um Maßnahmen etwa zur Attraktivierung des Pflegeberufs wirklich spezifisch zu entwickeln und umzusetzen“, sagt Hanna Mayer. 

Als zentrale Ansatzpunkte auf einer allgemeinen Ebene sieht sie Zugang zu Ressourcen, Zeit und Know-how sowie gute Führungskräfte. Wobei unterschiedliche Arbeitsgebiete eine differenzierte Vorgangsweise erfordern: So sei im Spitals-Akutbereich das erwähnte Phänomen, dass immer weniger Zeit und Möglichkeit für pflegerische Kerntätigkeiten bleibt, nicht neu. Hier bräuchte es Analysen, in welchem Ausmaß Pflegekräfte Tätigkeiten übernehmen, die eigentlich nicht zu ihrem Aufgabenfeld gehören. „Selbst eine bessere Bezahlung, die in einigen Bereichen sicher wichtig ist, wird nicht die Erfahrung und die so entstehende Dissonanz ausgleichen können, in der Pflege nicht das umsetzen zu können, was eigentlich wichtig wäre“, ergänzt Mayer.

Dennoch dringend nötig ist aus Roland Nagels Sicht zunächst, dass Pflegekräfte in ganz Österreich gleich bezahlt werden, immerhin gibt es Unterschiede von bis zu 500 Euro im Monat. Dazu kommt, dass bei gleicher Qualifikation die Verdienstmöglichkeit im mobilen Bereich generell schlechter sei als im Spital. „Ambulante Pflege und Betreuung ist dramatisch billiger als stationäre. Hier in gut bezahlte Jobs zu investieren, rentiert sich also mehrfach“, so Nagel. Zur Attraktivierung des Berufs würde aus Sicht des Pflegeexperten auch beitragen, dass Pflegekräfte sich den essenziellen Themen der Prävention und Gesundheitspflege zuwenden – „es reicht sicher nicht, wenn Gesundheit in der Berufsbezeichnung vorkommt. Hier sind niederschwellige Angebote gefragt und eine flächendeckende Pflegeberatung, die ab dem 60. Lebensjahr vor Ort zu den Menschen kommt, um vielfältige Maßnahmen der Vorbeugung näher zu bringen.“ Wie die ÖKZ berichtet hat, sind viele Zusatzausbildungen für Pflege in der Schwebe. Zudem gibt es in Österreich zu wenige Praxisanleiter, die wirklich ausreichend Zeit und Qualifikationen für wichtige Begleitungs- und Lehraufgaben haben. Und schließlich, sagt Nagel, fehle eben auch da der finanzielle Anreiz: „Es gibt kaum Möglichkeiten, mit solchen weitergehenden Qualifikationen mehr Geld zu verdienen.“ 

Hanna Mayer, <br>Institut für Pflegewissenschaften,<br>Universität Wien
Hanna Mayer, Institut für Pfegewissenschaften der Uni Wien:
Genuin pflegerische Aufgaben und Handlungen werden zugunsten medizinischer oder administrativer Leistungen weggelassen.

Hanna Mayer, 
Institut für Pflegewissenschaften,
Universität Wien

Neue Pflegekräfte finden

Derzeit leben in Österreich 400.000 über 80-Jährige. 2050 werden es über 1,2 Millionen sein, schon ab 2030 wird mit einem sehr starken Anstieg Pflegebedürftiger gerechnet. Studien weisen darauf hin, dass daher weitere 75.000 Vollzeitäquivalente bis 2030 gebraucht3 werden. Laut einer OECD-Studie[1] werden 60 Prozent mehr Pflegekräfte benötigt werden, um wenigstens den bisherigen Versorgungsstand halten zu können. Auch in den internationalen Analysen zeigt sich außerdem, dass es in naher Zukunft weniger pflegende Angehörige, die derzeit die Hauptlast der Langzeitpflege stemmen, geben wird: vor allem, weil Frauen, die hier hauptsächlich die Aufgaben übernehmen, auch Zeit und Energie in die Erwerbstätigkeit investieren wollen oder müssen. 

Dazu kommt: Über 40.000 Pflegekräfte werden schon bald in Pension gehen, gleichzeitig sind es laut dem Pflegeexperten Roland Nagel zu wenige, die nachkommen. Hier müsse sich im Ausbildungsbereich möglichst rasch etwas ändern: Insgesamt werden 4800 Pflegekräfte im Jahr (DGKP, PFA, PA) sowie 955 Absolventinnen von Schulen für Sozialbetreuungsberufe (Stand: 2016) ausgebildet – also viel zu wenig angesichts der genannten Zahlen. „Und die Attraktivität des Berufs ist leider für viele nicht sehr hoch. Man kann auf keinen Fall davon ausgehen, dass alle, die in der Ausbildung sind, dann auch tatsächlich für längere Zeit in der Pflege tätig sein werden“, meint Nagel. Die Bereiche, wo Pflegekräfte vermehrt fehlen, also Pflegeheime und mobile Dienste, würden oft als eine Art Warteposition gesehen, um dann im Krankenhaus arbeiten zu können. 

 

Lücke zwischen Schein und Sein 

Was Pflegekräfte von ihrem Berufsalltag berichten, macht, wie Nagel es ausdrückt, die Lücke zwischen Schein und Sein deutlich: „Ausbildungsinhalte und die Realität des Berufs gehen teils weit auseinander. Das ist sowohl für Interessierte als auch für viele Absolventinnen sehr frustrierend und führt zu Drehtüreffekten von Berufsausstiegen und Rückkehrversuchen.“ 

Pflege solle das tun können, was sie gelernt hat und was seit dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz 2016 rechtlich gedeckt ist, also auch in vielen Feldern Verantwortung zu übernehmen, natürlich mit enger Absprache mit der Medizin, aber nicht ständig von dieser abhängig. Auch die Pflegewissenschaftlerin Hanna Mayer von der Uni Wien sieht die (Un-) Möglichkeiten zu Autonomie im Pflegeberuf als wesentlichen Hebel, um die Attraktivität des Berufsbilds weiterzuentwickeln. Nagel bringt ein Beispiel: Wundmanager in der mobilen Pflege könnten ihr Fachwissen viel mehr einsetzen und ohne zeitliche Verzögerung arbeiten. Dass es für die Patienten nötig ist, sich eine ärztliche Verordnung zu holen, bringt sowohl Zeit als auch Qualitätsverlust. Im Sinne der im GuK-Gesetz von 2016 verankerten „Weiterverordnung von Medizinprodukten“ müsste ein reibungsloses Weiterarbeiten der Pflegeprofis bereits seit Jahren möglich sein.

 

„Unausgegorenes Konzept“ 

Die Pflegelehre als Ausbildungsschiene wird von allen Gesprächspartnern als falscher Weg betrachtet: Roland Nagel verweist dazu auf Erfahrungen aus der Schweiz: Viele, die diese Ausbildung durchlaufen haben, seien inzwischen in ganz anderen Feldern tätig. Hanna Mayer ergänzt: „Es gibt ja generell zu viele offene Lehrstellen und zu wenige Interessenten, die sich eine Lehre als Ausbildungsform vorstellen können. In dem Alter kann ich mich nicht für diesen herausfordernden Beruf entscheiden.“ Und: Ändert sich die Attraktivität des Berufsbildes nicht, wird es erstens wenig Zulauf zu einer solchen Ausbildung geben und zweitens hohe Zahlen, die aus diesem Beruf möglichst schnell wieder aussteigen wollen. 

Roland Nagel,<br>Pflegeexperte
Roland Nagel, Pflegeexperte
Man kann auf keinen Fall davon ausgehen, dass alle, die in der Ausbildung sind, für längere Zeit in der Pflege tätig sein werden.

Roland Nagel,
Pflegeexperte

Auch für Gewerkschafter Gerald Mjka ist die Pflegelehre ein „völlig unausgegorenes Konzept. Dazu kommt: Solange sich nichts an den Rahmenbedingungen in der Pflege ändert, wird es generell schwer bleiben, jemanden für den Beruf zu begeistern und langfristig dort zu halten.“ Die drei vorhandenen Wege in der Pflege würden ausreichen. Helfen könnte, dass es in manchen Berufsschulen nun Zweige gibt, die Schwerpunkte in Richtung der Vor-Ausbildung für Betreuungsberufe setzen. Das sind im Jahr immerhin um die 270 Absolventen, wobei laut Mjka auch hier unsicher ist, ob alle in diesen Berufen bleiben: „Auch wenn diese Maßnahme überfällig und sinnvoll ist, ist sie nur ein Tropfen auf den heißen Stein …“ Ebenso zu wenig nachhaltig gedacht seien Überlegungen, noch mehr Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben – diese würden ja auch in den Herkunftsländern immer dringender gebraucht. „Die Ausbildung von zusätzlichen Pflegekräften geht eben nicht von heute auf morgen, sondern braucht langfristige Strategien.“ Immer wieder gibt es Diskussionen darüber, inwieweit Arbeitssuchende für den Einsatz in der Pflege qualifiziert werden können. Wobei es gerade in den letzten Monaten auch Überlegungen gab, die große Überlastung durch den Einsatz Arbeitssuchender oder Asylwerber für einfache Hilfstätigkeiten auszugleichen. „Das ist kontraproduktiv“, sagt Pflegewissenschaftlerin Hanna Mayer – letztlich würde hier eher mehr Aufwand für Einschulung und Begleitung entstehen und die Personen, die zum Einsatz kommen sollen, wären in vielen Situationen schnell überfordert. Es brauche eben eine wirklich umfassende Ausbildung, um in diesem Bereich arbeiten und bleiben zu können, auch in psychischer Hinsicht. Wer ungeschult hineingestoßen wird, scheidet als möglicher künftiger Interessent für eine Ausbildung im Pflegebereich mit hoher Wahrscheinlichkeit aus, da bei einem ungeschulten Einstieg die Überforderung prägend sein wird. In dieser Diskussion ortet Mayer insgesamt eine „fehlende Differenzierung: Heimhilfe bis Advanced Nurse Practitioner – alles wird über einen Kamm geschoren, obwohl es hier um völlig unterschiedliche Arbeitsbereiche und Level der Qualifikation geht“. Was das aktive Ansprechen von Arbeitssuchenden angeht, so sagt Gewerkschafter Mjka: „Es müssen Personen sein, die wirklich im Pflegebereich arbeiten wollen und denen die Herausforderungen klar sind, die auf sie warten. Es bringt nichts, hier jemanden hineinzudrängen oder gar zu zwingen, etwa mit der Drohung, man würde alle Zuwendungen verlieren, wenn man sich nicht genau für diesen Ausbildungszweig entscheidet.“ Es gibt etwa, und das sagt auch Hanna Mayer, Personen aus Dienstleitungsberufen wie etwa Flugbegleiter, die sehr gezielt nach Bereichen suchen, wo sie intensiv mit Menschen arbeiten möchten.

 

Finanzielle Anreize für Quer- und Wiedereinsteiger 

Für Mjka sind „die Pflegestiftungen grundsätzlich ein guter Weg, um Pflegekräfte zu gewinnen – sie müssen aber ausreichend dotiert sein, um Ausbildungskosten wirklich decken zu können, also nicht nur einen halbjährigen Pflegehilfekurs, sondern ebenso eine dreijährige Bachelorausbildung“. Das Argument, dass der Pflegebereich ein krisensicherer Beruf ist, reiche jedenfalls nicht aus. Um mehr Personen für den Pflegebereich zu begeistern, bräuchte es finanzielle Anreize für Quer- und Wiedereinsteiger und vom ersten Tag der Ausbildung an ein gesichertes Einkommen. 3000 Pflegekräfte sind laut AMS arbeitslos gemeldet, wobei diese Zahl in den letzten Jahren relativ konstant geblieben ist. Roland Nagel meint, dabei handle es sich um Personen, die aus dem Beruf aus verschiedenen Gründen ausgestiegen sind. „Hier ist die Motivation für den Wiedereinstieg wahrscheinlich sehr niedrig.“ 
 

Literatur:

  1. OECD (2020): Who Cares? Attracting and Retaining Care Workers for the Elderly, OECD Health Policy Studies, OECD Publishing. Zugang: https://www.oecd.org/publications/who-cares-attracting-and-retaining-elderly-care-workers-92c0ef68-en.htm. Zugriff: 6.5.2021. 
  2. Schalek K (2019): Dialog Gesundheitsberufe. Online-Umfrage 2018 –„Wo drückt der Schuh?“ – Pflegeberufe im Krankenhaus. Zugang: https://www.vida.at/cms/S03/S03_0. Zugriff: 6.5.2021
  3. Rappold E & Juraszovich B (2019): Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich. Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Wien. https://jasmin.goeg. at/1080/1/Pflegepersonalprognose%202030_bf.pdf. Zugriff: 6.5.2021.
     

Quelle: ÖKZ 06-07/2021 (Jahrgang 62), Springer-Verlag

Verwandte Artikel
Unter Druck: Pflege­personal in der Pandemie

Für viele Pflegeteams bleibt Corona eine harte Bewährungsprobe. Die ...

Rechnungshof Österreich (Gebäude Aussenansicht)
Rechnungshof Österreich
Pflege: Der Rechnungshof sieht Öster­reich nicht aus­reichend vor­bereitet

Der Rechnungshof (RH) sieht Österreich bei der Pflege nicht ...