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Skizze einer zukünf­tigen Präventions­strategie

5. März 2020 | Martin Sprenger
Skizze von Zahnrädern
Skizze von Zahnrädern

Die wirksamsten Maßnahmen zur Steigerung der gesunden Lebenserwartung liegen außerhalb des Gesundheitssystems.

Ein langes Leben in guter Gesundheit steht für die meisten Österreicher ganz oben auf der Wunschliste. Das zeigen auch die aktuellen Neujahrsvorsätze. Mehr Bewegung, eine gesündere Ernährung, weniger Körpergewicht und der Wunsch, mit dem Rauchen aufzuhören, führen die Befragungsergebnisse an. Diese individuellen Ziele spiegeln sich auch im Zielsteuerungsvertrag 2017-2021 von Bund, Ländern und Sozialversicherung, in dem sich die „Vertragsparteien für ein längeres, selbstbestimmtes Leben bei guter Gesundheit für alle Menschen in Österreich einsetzen“. [1] Erreicht werden soll dies vor allem durch eine Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung und eine zielgerichtete Prävention und Gesundheitsförderung.

Ein längeres Leben in guter Gesundheit hat positive Auswirkungen auf so wichtige gesellschaftliche Bereiche wie Krankenversorgung, Arbeitsmarkt, Pensions- und Pflegesystem. Umso bedenklicher ist, dass wir Österreicher im Jahr 2017 nur mit 57 gesunden und beschwerdefreien Lebensjahren rechnen konnten. Damit schneiden wir bei dem Indikator Healthy Life Expectancy (HALE) im OECD-Vergleich unterdurchschnittlich ab. [2] Vielleicht findet sich auch deshalb im Kapitel „Gesundheit“ des aktuellen Regierungsprogramms ein Bekenntnis „zu einer Stärkung der präventiven Maßnahmen durch eine österreichweite Präventionsstrategie, damit die persönliche Gesundheit verbessert wird. (...) Durch ein Anreizsystem von Präventionsprogrammen sollen allen Österreicherinnen und Österreichern mehr gesunde Jahre ermöglicht werden.“ Gemeint ist damit wohl ein Ausbau der Vorsorgeuntersuchung und Früherkennungsprogramme, für die wir derzeit pro Jahr zirka 150 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln ausgeben. Aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht lässt sich mit diesen Programmen das Erkrankungs- und Sterberisiko jedoch nicht reduzieren und damit auch die Zahl der gesunden Lebensjahre kaum bis gar nicht steigern. [3,4]

 

Orientierung an Gesundheitszielen

Wie müsste eine Präventionsstrategie aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht ausschauen, mit der sich langfristig der individuelle und gesellschaftliche Wunsch nach einem langen und gesunden Leben erfüllen lässt? Idealerweise sollte sich diese an den zehn Gesundheitszielen orientieren – https://gesundheitsziele-oesterreich.at –, die bis zum Jahr 2032 den Handlungsrahmen für eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik vorgeben, um die Zahl der gesunden Lebensjahre zu erhöhen. Eine Priorisierung von Maßnahmen hat dabei nicht stattgefunden. Nachdem 2017 zirka 40 Prozent aller Todesfälle in Österreich auf die vermeidbaren Risikofaktoren Tabak- und Alkoholkonsum, Ernährung und geringe körperlicher Aktivität zurückzuführen waren, [5] versucht dieser Artikel im Sinne einer Präventionsstrategie, die effektivsten Maßnahmen für diese Handlungsfelder zu skizzieren:

 

Fünf Handlungsfelder

1. Tabakkonsum ist einer der bedeutendsten Faktoren für vorzeitigen Tod und frühzeitige Behinderung und trägt damit maßgeblich zum Verlust an gesunden Lebensjahren (Disability-Adjusted Life Years/DALYs) bei. [6] Österreich ist das einzige OECD-Land, in dem heute mehr geraucht wird als in den 1970er-Jahren. Seit 2007 belegt Österreich zum vierten Mal hintereinander in der Tobacco Control Scale – www.tobaccocontrolscale.org – den beschämenden letzten Platz unter 35 Ländern. Es war ein politischer Zufall, dass 2019 in Österreich ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie eingeführt wurde. In einem nächsten Schritt müssten die im EU-Vergleich unterdurchschnittlichen Tabakpreise um 20 Prozent angehoben, [7] standardisierte Einheitsverpackungen („Plain Packaging“) eingeführt und die frei zugänglichen Zigarettenautomaten abgeschafft werden. e-Zigaretten sollten ebenfalls besteuert und mit Warnhinweisen versehen werden. Mit diesen für den Steuerzahler sehr kostengünstigen Maßnahmen könnte der Tabakkonsum und das damit verbundene Erkrankungs- und Sterberisiko (DALYs) deutlich reduziert und die Zahl der gesunden Lebensjahre gesteigert werden.

2. Übermäßiger Alkoholkonsum hat Auswirkungen auf das Individuum, sein unmittelbares soziales Umfeld und die gesamte Gesellschaft und trägt maßgeblich zum Verlust an gesunden Lebensjahren bei. [8] Im internationalen Vergleich liegt Österreich beim Alkoholkonsum im Spitzenfeld. Das Positionspapier der Österreichischen ARGE Suchtvorbeugung beschreibt 20 Handlungsempfehlungen zur Förderung eines verantwortlichen Umgangs mit Alkohol in Österreich. [9) Die wirksamsten Maßnahmen zur Reduktion des Alkoholkonsums liegen im gesetzlichen Bereich.(10, 11) Alkohol sollte kein Billigprodukt sein. Die Steuern auf Alkohol sollten in Relation zum Alkoholgehalt erhöht und zum Teil für präventive Maßnahmen zweckgewidmet werden. Der Jugendschutz muss bundesweit vereinheitlicht und konsequent kontrolliert werden.

3. Ernährung. In diesem Bereich liegt ein weiteres wichtiges Handlungsfeld. Auch hier sind die wirksamsten Maßnahmen auf der politischen Ebene zu finden. [12] Sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene muss die Förderung von Lebensmitteln reformiert werden. [13] Anstatt Massentierhaltung und eine industrielle Nahrungsmittelproduktion zu subventionieren, sollten öffentliche Gelder dafür verwendet werden, allen Menschen einen Zugang zu hochwertigen, regionalen und saisonalen Lebensmitteln zu ermöglichen. Wie im österreichischen Gesundheitsziel 7 Gesunde Ernährung für alle zugänglich machen empfohlen, sollte die Herstellung, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln unter gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkten erfolgen. [14] Hochkalorische, sehr zuckerhaltige Lebensmittel wie zum Beispiel Soft Drinks sollten höher besteuert werden [15] und im Gegenzug die Steuern auf Obst und Gemüse entfallen. [16] Zusätzlich sollte eine einheitliche nationale Kennzeichnung von Lebensmitteln durch Symbole (z.B. Ampelsystem) eingeführt werden, damit die Konsumenten auf einen Blick erkennen, wie gesund ein Produkt ist. [17]

4. Regelmäßige körperliche Bewegung ist einer der bedeutendsten Faktoren für ein langes gesundes Leben. Der Bericht der Arbeitsgruppe zum Gesundheitsziel 8 Gesunde und sichere Bewegung im Alltag durch die entsprechende Gestaltung der Lebenswelten fördern zeigt die Vielfalt der möglichen Interventionsfelder. Von Seiten der Politik bräuchte es ein klares Bekenntnis und entsprechende Ressourcen, um Österreichs Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen zu erfolgreichen Lern- und Experimentierräumen für Bewegung zu machen. Generell sollte bei allen öffentlichen Investitionen in die räumliche Infrastruktur auf die Förderung von gesunder und sicherer Bewegung für alle Altersgruppen geachtet werden. Österreichs Städte sollten Steuergelder dafür verwenden, um ein sozial gerechtes und ökologisch nachhaltiges Mobilitätssystem zu etablieren, mit dem die negativen Auswirkungen des Verkehrs auf Gesundheit, Umwelt und Klima auf ein Minimum reduziert werden. [18]

5. Die Bekämpfung von Kinderarmut, ein Ausbau der frühen Hilfen und die Etablierung der österreichischen Kindergärten und Volksschulen im europäischen Spitzenfeld wären ein fünftes, sehr effektives Handlungsfeld zur Reduktion von DALYs. Das entsprechende Gesundheitsziel Gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen bestmöglich gestalten und die zugehörige Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie gibt es bereits. [19]

 

Viele Synergien

Anhand der fünf Handlungsfelder wird deutlich, dass die wirksamsten Maßnahmen zur Steigerung der gesunden Lebenserwartung außerhalb des Gesundheitssystems liegen. Auf der Verhaltensebene ansetzende Maßnahmen haben wenig bis gar keine Effekte. Warum die österreichische Gesundheitspolitik nach wie vor speziell auf diese wenig wirksamen Strategien setzt, ist aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Letztendlich hat eine effektive Präventionsstrategie auch direkte Auswirkungen auf die Anzahl der chronischen Erkrankungen und pflegebedürftigen Personen [20] sowie auf viele weitere Bereiche unserer Gesellschaft, wie Arbeitsmarkt, Wirtschaftswachstum und Pensionssystem. [21] Dabei lassen sich viele Synergien mit einer wirksamen Klimapolitik herstellen. [22]

So wie der Klimaschutz ist auch eine effektive Präventionsstrategie eine politische Querschnittsmaterie („Health in All Policies“). Daten für Taten sind genügend vorhanden. Für die erfolgreiche Umsetzung verantwortlich sind vor allem Bundeskanzler und Finanzminister.

 

Literatur:

  1. Zielsteuerungsvertrag auf Bundeseben. Zielsteuerungsvertrag 2017-2021.
  2. OECD. Health at a Glance. 2019. 90ff. Internet: www.oecd.org/health/health-systems/health-at-a-glance-19991312.htm Zugriff: 24.1.2020
  3. Krogsbøll LT et al (2019): General health checks in adults for reducing morbidity and mortality from disease. Cochrane Database of Systematic Reviews.
  4. Prasad V et al (2016): Why cancer screening has never been shown to "save lives"-- and what we can do about it. BMJ 352: h6080.
  5. European Commission (2019): State of Health in the EU. Österreich. Länderprofil Gesundheit. Internet: https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/state/docs/2019_chp_at_german.pdf Zugriff: 24.1.2020
  6. WHO (2019): Fact Sheet Tobacco. Internet: www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/tobacco Zugriff: 24.1.2020
  7. WHO (2019): Tobacco Free Initiative. Taxation. Internet: www.who.int/tobacco/economics/taxation/en Zugriff: 24.1.2020
  8. Shield K et al (2019): National, regional, and global burdens of disease from 2000 to 2016 attributable to alcohol use: a comparative risk assessment study. The Lancet Public Health 5 1, e51 - e61.
  9. Das Positionspapier der Österreichischen ARGE Suchtvorbeugung (2016):20 Handlungsempfehlungen zur Förderung eines verantwortlichen Umgangs mit Alkohol in Österreich.
  10. WHO (2017): Best buys and other recommended interventions for the prevention and control of noncommunicable diseases. Zugang: Internet: www.who.int/ncds/management/WHO_Appendix_BestBuys.pdf Zugriff: 24.1.2020
  11. Chaloupka FJ et al (2019): The use of excise taxes to reduce tobacco, alcohol, and sugary beverage consumption. Annu Rev Public Health 40:187–201.
  12. Mytton O et al (2019): Identifying the most promising population preventive interventions to add 5 years to healthy life expectancy by 2035. Welcome Trust.
  13. Stuckler D et al (2012): Big food, food systems, and global health. PLoS Med 9(6):e1001242.
  14. Parsons K et al (2018): Connecting food systems for co-benefits: how can food systems combine diet-related health with environmental and economic policy goals? WHO.
  15. Effertz T (2017): Die Auswirkung der Besteuerung von Lebensmitteln aufErnährungsverhalten, Körpergewicht und Gesundheitskosten in Deutschland.
  16. WHO (2015): Fiscal Policies for Diet and Prevention of Noncommunicable Diseases.
  17. Holzapfel C (2019): Adipositas: Ursachen, Folgeerkrankungen, Therapie.Adipositas 13(03):127-132.
  18. WHO Europe (2015): Strategie der Europäischen Region der WHO zurBewegungsförderung (2016–2025).
  19. Winkler P et al (2016): Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie 2016. Wien, BMGF
  20. WHO Europe (2015): Promoting Health, Preventing Disease. The Economic Case
  21. McCartney G et a (2019): Impact of Political Economy on Population Health:A Systematic Review of Reviews American Journal of Public Health 109, e1_e12.
  22. Fox M et al (2019): Integrating Public Health into Climate Change Policy and Planning: State of Practice Update. Int J Environ Res Public Health 16(18):3232.

Quelle: ÖKZ 01-02/2020 (Jahrgang 61), Schaffler Verlag

 

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