Für ein altes KIS ist der praktischste Ansatz die Schaffung einer Interoperabilitätsschicht (FHIR-Adapter in Kombination mit einem Terminologie-Server), während das Altsystem im Hintergrund weiterläuft. So erfüllt man EHDS-Anforderungen schrittweise, ohne sofort alles neu bauen zu müssen.
Phase 1: Analyse & Vorbereitung
Welche Schnittstellen bietet das KIS aktuell? (HL7 v2, proprietär, DICOM, CSV, SQL-Dumps etc.)
Welche Terminologien sind im Einsatz? (ICD-10, hausinterne Laborkürzel, OPS, Freitext)
Welche Sicherheits- und Zugriffsmechanismen gibt es schon?
Vergleich IST-Zustand mit EHDS-Anforderungen (FHIR, IHE, SNOMED CT, LOINC, Zugriffsrechte, Patientenzugriff).
Dokumentation der „Legacy“-Abhängigkeiten.
Phase 2: Interoperabilitätsschicht schaffen
Da ältere Systeme oft nicht direkt modernisiert werden können, ist eine Middleware/Integrationsplattform sinnvoll:
- Middleware-Lösungen / Interoperability Layer:
- FHIR-Gateways (z. B. Smile CDR, HAPI FHIR, Firely Server).
- IHE-konforme Plattformen wie Orion Health, Tiani Spirit, NextGen Connect (Mirth).
- API-Management (z. B. WSO2 API Manager, Kong, Azure API Management).
- Funktion:
- Übersetzen von HL7 v2 oder proprietären Nachrichten in HL7 FHIR.
- Abbildung von Terminologien (Mapping zu SNOMED CT, LOINC etc.).
- Sichere Bereitstellung über RESTful APIs für EHDS.
Phase 3: Terminologie & Datenqualität
- Terminologieserver einsetzen (z. B. SNOMED CT-Server von Snowstorm, Ontoserver, Apelon DTS).
- Mapping-Prozesse aufsetzen:
- Laborkürzel → LOINC
- Diagnosen → ICD-10 / SNOMED CT
- Medikamente → ATC
- Validierung & Cleaning: Freitexte in strukturierte Daten transformieren (Natural Language Processing optional).
Phase 4: Sicherheit & Zugriffsmanagement
- Authentifizierung & Autorisierung
- eIDAS-konforme Lösungen (z. B. ELGA/eID, gematik ID in Deutschland).
- OAuth2.0 / OpenID Connect für API-Sicherheit.
- Verschlüsselung
- TLS 1.3 für Übertragung.
- Datenbankverschlüsselung & Audit-Logs.
- Feingranulare Rechte: Rollenbasiert (RBAC) oder attributbasiert (ABAC).
Phase 5: EHDS-Integration
- Primärnutzung (Patientenversorgung)
- Anbindung an nationale ePA/eHR-Systeme (z. B. gematik ePA in DE, ELGA in AT, DPIA in FR).
- Nutzung von IHE-XDS/XCA-Profilen für Dokumentenaustausch.
- Sekundärnutzung (Forschung & Politik)
- Bereitstellung pseudonymisierter Daten über die nationale Health Data Access Body-Infrastruktur.
- Implementierung von De-Identifikationsdiensten (z. B. ARX, Synthea für synthetische Daten).
Phase 6: Migration & Modernisierung
- Schrittweise Ablösung alter Module durch modernere Systeme, die FHIR-ready sind (z. B. für Radiologie, Labor, Patientenportal).
- Hybridbetrieb: Altsystem + Middleware + neue Module.
- Langfristig: Ablösung durch ein KIS, das EHDS-konform „by design“ ist.
Beispielhafter Technologie-Stack
- Middleware: Mirth Connect + HAPI FHIR Server
- Terminologie: Snowstorm (SNOMED CT), Ontoserver (LOINC/ATC)
- Sicherheit: Keycloak (IAM, OAuth2/OpenID)
- API-Management: Kong oder WSO2
- De-Identifikation: ARX Data Anonymization Tool