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Arbeits­kräfte­mangel setzt OÖ Pflege- und Gesund­heits­bereich zu

27. Juni 2022 | APAMED (APA-OTS)
Symbolbild Fachkräftemangel
Symbolbild Fachkräftemangel

Leere Betten in Pflegeeinrichtungen und Spitälern sind meist nicht der guten Verfassung der Bürger, sondern einem massiven Arbeitskräftemangel geschuldet. In den Heimen und Krankenhäusern in Oberösterreich sind insgesamt hunderte Plätze gesperrt, etliche davon wegen personeller Engpässe. 

"Wir sind am Limit", beschreibt Bernhard Hatheier, Obmann der Arbeitsgemeinschaft der Alten- und Pflegeheime OÖ, die Lage. In Oberösterreich seien derzeit rund 1.300 der 12.655 Plätze in den 132 Alten- und Pflegeheimen nicht besetzt. Einige würden als Puffer für Notfälle dienen, aber der Großteil sei aufgrund von Personalmangels leer, "und es werden täglich mehr". Aus dem Büro von Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) hieß es, dass per Jahreswechsel 871 Betten aufgrund von fehlendem Personal nicht belegt werden konnten. Auch Betroffene berichten, dass es schwer sei, einen Pflegeplatz zu ergattern und man auf die kostspieligere 24-Stunden-Pflege ausweichen müsse. Und, dass man auch zu hören bekomme, ein Platz wäre vorhanden, aber kein Personal dafür.

Das Land erwartet, dass es bis 2040 rund 40.000 Pflegebedürftige geben wird. Bis 2030 rechnet man mit einem Personalbedarf von 9.000 Vollzeitäquivalenten im Pflegebereich, das sind 1.500 mehr als derzeit. Daher ist aktuell eine "Fachkräftestrategie Pflege" in Arbeit, die Maßnahmen formulieren soll, um Fachkräfte zu gewinnen, deren Arbeit besser zu organisieren und die Ausbildung zu attraktivieren. Im Herbst soll sie vorliegen, "wir wollen so rasch wie möglich in die Umsetzung kommen", so Hattmannsdorfer, denn die Zahlen würden eindrücklich zeigen, wie dringend der Handlungsbedarf ist.

Bei der Lebenshilfe Oberösterreich, wo von rund 1.600 Mitarbeitern ca. 1.900 Personen mit Handicap betreut werden, klingt es zwar etwas weniger angespannt als bei der Arge Alten- und Pflegeheime, dennoch: Vor einem Jahr konnte eine neue Einrichtung nicht wie geplant in Betrieb gehen, weil man das nötige Personal nicht hatte, schildert Geschäftsführer Gerhard Scheinast. Er habe dann die Suche intensiviert und schließlich "mit Ach und Weh und Verspätung" öffnen können. Auch er berichtet davon, dass man Lücken mit Mehrarbeit des bestehenden Teams puffern müsse, schließlich "können wir unser Leistung nicht reduzieren".

Neben den Pflegeeinrichtungen steigt der Druck auch in den Spitälern massiv, die in den vergangenen zwei Jahren obendrein die Hauptlast der Pandemie zu stemmen hatten. Im Linzer Kepler Universitätsklinikum, dem mit 1.830 Betten und ca. 7.000 Beschäftigten zweitgrößten Krankenhaus Österreichs, sind derzeit 140 Betten gesperrt. Das Spital begründet das damit, dass man der Belegschaft die Möglichkeit geben wolle, Urlaub abzubauen. Angestelltenbetriebsratsvorsitzender Helmut Freudenthaler bezweifelt das: Eine Umfrage unter den Beschäftigten habe ergeben, dass viele Schwierigkeiten hätten, mehr als eine Woche Urlaub zu bekommen, und in der Urlaubszeit noch mehr Wochenenddienste als sonst an der Tagesordnung seien. Regelmäßig würde er Überlastungsmeldungen bekommen, "sogar aus der Notaufnahme", so Freudenthaler.

Es sei auch schon bisher im Sommer üblich gewesen Betten zu sperren, um Urlaub zu ermöglichen, hieß es bei der OÖ Gesundheitsholding (OÖG), die neben dem KUK noch fünf Regionalkliniken an acht Standorten betreibt. In den Regionalkliniken seien derzeit "zwei bis drei Prozent mehr Betten als sonst" aufgrund von Personalmangel gesperrt, eine Gesamtzahl wurde aber nicht genannt - nur soviel: Es handle sich um einen einstelligen Prozentanteil an der Gesamtbettenzahl. Diese lag 2021 bei 2.268, woraus sich eine mittlere zwei- bis niedrige dreistellige Zahl ergeben würde. Bei einer Gesamtbeschäftigtenzenzahl in den Regionalkliniken von 8.610 (Stand 2021) sind laut OÖG derzeit 150 Planstellen nicht besetzt.

Noch viel drängender ist das Problem im Altenpflegebereich. 2.000 bis 3.000 Leute könnten seiner Ansicht nach auf der Stelle anfangen, sagt Hatheier, österreichweit würden im Pflegebereich bis 2030 rund 130.000 Fachkräfte fehlen. Dass viele Teilzeit arbeiten, treibt diese Zahlen zusätzlich in die Höhe, aber er sieht vor allem Versäumnisse in der Vergangenheit. Um den Beruf, der "ein sehr schöner" sei, wie er betont, zu attraktivieren, sei "ein ganzes Maßnahmenbündel" nötig - von Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich über Supervision bis hin zu zusätzlichen Hilfskräften. Auch müsse der Lebensunterhalt während der Ausbildung gesichert sein. 

Bernhard Hatheier, <br>Obmann der Arbeitsgemeinschaft <br>der Alten- und Pflegeheime OÖ
Bernhard Hatheier, Obmann der Arbeitsgemeinschaft der Alten- und Pflegeheime OÖ
Es reichen die Lippenbekenntnisse, dass man alles tun will für die Generation, die Österreich aufgebaut hat, nicht.

Bernhard Hatheier, 
Obmann der Arbeitsgemeinschaft 
der Alten- und Pflegeheime OÖ

"Es reichen die Lippenbekenntnisse, dass man alles tun will für die Generation, die Österreich aufgebaut hat, nicht."

Wenn die Firmen wie derzeit um Arbeitskräfte buhlen, würden die Leute dorthin gehen, wo sie besser verdienen und Zuckerl - vom Laptop bis zum Moped - geboten bekommen, schildert Hatheier. KUK-Betriebsrat Freudenthaler kennt dieses Problem ebenfalls: "Die Leute gehen einfach über die Straße" - gegenüber vom KUK ist eine Privatklinik - wo die Bedingungen besser seien. Er ortet dadurch eine schleichende Privatisierung des Gesundheitsbereichs. Scheinast kann von den Abwanderungen in andere Pflegebereiche nach eigenen Angaben zwar sogar profitieren - immer öfter würden Leute in sein Team kommen, "denen der klassische Pflegeberuf reicht" - insgesamt leide man aber mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit, vor allem in abgelegenen Regionen.

Die Lebenshilfe betreibt neuerdings Dienstgeber-Marketing und setzt stark auf Quereinsteiger. Mit ihnen würden teilweise Verträge abgeschlossen, dass sie berufsbegleitend ihre Ausbildung nachholen. "Ich glaube, dass das Beschäftigen von Quereinsteigern in der Branche zu lange unterlassen wurde", meint Scheinast. Frauen würden oft nach der Kinderpause, Männer über den Zivildienst den Weg in die Behindertenbetreuung finden. Sein Wunsch an die Politik: Die Ausbildung müsse attraktiver werden. "Es ist unverständlich, dass man Schulgeld von den Mitarbeitern verlangt." Derzeit koste sie einige hundert Euro im Semester "und wir reden da oft von Leuten, die jeden Euro umdrehen". Es gehe soweit, dass Mitarbeiter kündigen, um dann in einer Stiftung die Ausbildung machen können. "Wir müssten die Möglichkeit bekommen, unsere Mitarbeiter für die Ausbildung freizustellen", fordert Scheinast.

Auch Hattmannsdorfer will u.a. bei den Ausbildungskosten ansetzen. Er plädiert im Zusammenhang mit der Pflegereform des Bundes für eine Ausweitung der Ausbildungsstipendien auf die Fachsozialbetreuungsberufe, aber auch für mehr Kompetenzen für Pflegepersonal. Zudem müsse man über die verstärkte Gewinnung von Drittstaatsangehörigen für die Pflege und die einfachere Anerkennung von Ausbildungen nachdenken.