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Dr. Anni Koubek, CEO von QMD Services GmbH (Quality Medical Devices), im ÖKZ-Interview über die neue MDR-Verordnung.
Anni Koubek: "Ich beobachte, dass Hersteller mit der IVDR größere Probleme haben als Medizinprodukteunternehmen mit der MDR. Letztere haben meist mehr Erfahrung mit regulatorischen Anforderungen und deren Überprüfung durch Benannte Stellen. Im Vergleich zu früheren Regelungen hat die IVDR einen stark erweiterten Adressatenkreis: Viele Unternehmen haben das erste Mal mit einer Konformitätsbewertung durch eine Benannte Stelle zu tun. Medizinische Labore, Softwareentwickler oder Unternehmen, die mit dem Vertrieb und der Lieferung von IVDs beschäftigt sind, waren bislang kaum mit derartig tiefgehenden Prüfungen konfrontiert. Das ist für viele IVD-Unternehmen neu und herausfordernd."
"Es gibt rigide Vorgaben an das Qualitätsmanagementsystem und an die Prozess-Dokumentation. Bei vielen Produkten braucht es klinische bzw. Leistungsbewertungsstudien. Das ist für Hersteller, die noch nie mit derartig genauen Prüfungen zu tun hatten, eine große Hürde. Und die zu meistern, das dauert. Zeit ist für viele Unternehmen die größte Herausforderung. Ohne Zertifizierung gibt es keinen Marktzugang für das Produkt und damit keine Umsätze. Das ist für kleinere Unternehmen oft hart."
"Ich empfehle, die regulatorischen Anforderungen von Beginn einer Produktentwicklung mitzudenken. Dann sind die Ansprüche an Dokumentation und Nachvollziehbarkeit einfacher zu erfüllen. Man sollte auch frühzeitig prüfen, ob und welche klinische Studien notwendig werden. Hersteller sollten nicht auf den letzten Moment zuwarten, sondern frühzeitig mit begleitenden Vorbereitungen beginnen. Die Unternehmen sind immer wieder überrascht, in welchem Detail die Prüfungen stattfinden. Man darf nie vergessen: Wir müssen die Sicherheit und die Leistungsfähigkeit dieser Produkte bestätigen. Es geht um Patientensicherheit."
"Ich sehe momentan keinen Engpass an Benannten Stellen. Ich höre, dass unsere Kunden Angebote von mehreren Prüforganisationen erhalten, was bedeutet, dass genug Ressourcen vorhanden sind und der Wettbewerb funktioniert. Hier haben großzügigere Übergangsfristen aus dem Vorjahr dafür gesorgt, den Flaschenhals-Effekt deutlich zu lindern. Ich glaube, der Engpass ist so weit einmal erledigt."
"Das kommt auf das Produkt und auf die Risikoklasse an. Und natürlich auf die Vollständigkeit und Qualität der technischen Dokumentation."
"Für ein extrem einfaches Produkt der Klasse I mit optimalen Unterlagen und QM ist das Verfahren in wenigen Monaten möglich. Aber Erfahrungen der Benannten Stellen haben gezeigt, dass man mit Zeiten von ca 12 bis 18 Monaten rechnen sollte."
"Die Prüfungen sind überwiegend unterlagengestützt. Wir prüfen die eingereichte technische Dokumentation der zu bewertenden Produkte. Das ist Bürotätigkeit, diese ist ortsungebunden. Der nächste Schritt ist das Audit. Unsere Prüfer checken vor Ort die Herstellung und QM-Prozesse für diese Produkte und vergleichen, ob dies der technischen Dokumentation entspricht. Daher auch die Internationalität unserer Gutachterinnen und Gutachter. Im deutschsprachigen Raum allein wäre es sehr schwer, ausreichend Prüfer mit den nötigen Voraussetzungen zu finden."
Die Gesetzgebung intendiert, dass nur Produkte auf den Markt kommen, bei denen gesichert ist, dass sie keinen Schaden anrichten. Produkt- und Patientensicherheit sind die oberste Devise. Deswegen gibt es verschiedene Risikoklassen. Die Prüftätigkeit wird intensiver, je höher die Risikoklasse ist. In diesem Sinne ist das Ganze sehr sinnvoll.
"Definieren Sie „kleine“ Produktänderung? Ein Hersteller hat bei einer Hüftgelenksprothese die Geometrie nur ein kleines bisschen geändert. Da ging es um Millimeter. Das führte zu einem erhöhten Abrieb mit vielen Nebenwirkungen. Die Prothesen mussten nach relativ kurzer Zeit operativ wieder herausgenommen werden. Klinische Studien verhindern derartige Vorfälle. Ich denke, der Zweck der Verordnungen ist unumstritten."
"Die Prüfprozesse und vor allem die klinischen Studien brauchen Zeit und Geld – mehr als von vielen veranschlagt. Die Zulassung ist ohne Zweifel deutlich herausfordernder, als dies unter dem vorherigen Regulativ der MDD der Fall war. Und natürlich sehen wir, dass etliche Hersteller ihr Sortiment überprüfen. Von manchen Produkten verkaufen sie fünf Einheiten, von manchen fünf Millionen. Irgendwo gibt es eine Grenze, ab der sich die Zusatzkosten einer MDR- oder IVDR-Zulassung nicht mehr rentieren. Die Produkte gehen vom Markt. Die Frage ist jetzt, wie groß ist dieses Spektrum, das verschwindet. Das wissen wir noch nicht."
"Ich sehe schon Konsequenzen, die die Regulatoren im Auge behalten müssen. Randzielgruppen wie beispielsweise Patienten mit seltenen Erkrankungen benötigen Sonderanfertigungen oder Diagnosen, die per Definitionem nur in kleinen Stückzahlen erzeugt werden. Wenn diese Nischenprodukte durch die Zulassungserfordernisse vom Markt gehen, haben die bedürftigen Patientengruppen ein Problem. Hier muss noch nachgeschärft werden."
Quelle: ÖKZ 2/2024, 65. Jahrgang, Springer-Verlag