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Intersektorale Vernetzung: Bleibt es bei einem Traum?

16. September 2025 | Walter Zifferer
Abrissbirne: Weg mit den Sektorengrenzen!
Abrissbirne: Weg mit den Sektorengrenzen!

Wichtige Gedanken zu einem sektorenübergreifenden Gesundheitswesen

Die Zukunft der Versorgung ist intersektoral, die Gegenwart ist in durch das Gegenteil geprägt – nämlich durch eine historisch bedingte Aufteilung des Gesundheitssystems in getrennte Sektoren. 

Dass die heutige Aufstellung nicht mehr zeitgemäß ist, wissen Gesundheitsökonomen schon lange. Nicht nur, weil sie immense Kosten verschlingt und zu unnötigen (und manchmal leider sogar tödlichen) Zeitverzögerungen (z.B. durch Doppeluntersuchungen oder lange Wartezeiten) entlang der Patient Journey führt – sondern insbesondere auch, weil das Gesamtsystem budgetär längst an die Grenzen der Finanzierbarkeit durch die Bürger stößt. 

Doch welche konkreten Merkmale sind es, die ein sektorales von einem intersektoralen System positiv unterscheiden? Wie würde ein intersektoral organisiertes deutsches Gesundheitswesen aussehen?

 

Patientenzentrierung

Der Fokus läge auf dem tatsächlichen Bedarf des Patienten (Gesundheitsergebnis, Lebensqualität) und nicht auf der „Logik“ oder den Rahmenbedingungen einzelner Sektoren und Institutionen. „Shared Decision Making“, niedrigschwellige Zugänge und Präventionsorientierung würden das System prägen und zu erheblichen Kosteneinsparungen führen.

 

Integrierte Versorgungspfade

Die heute getrennten Sektoren des Gesundheitssystems (Ambulante Einrichtungen / Stationäre Institutionen / Reha-Einrichtungen, Pflegekliniken / Prävention / Sozialdienste) wären nicht mehr weitgehend isoliert aktiv, sondern entlang von Krankheitsverläufen miteinander (insbesondere kommunikationstechnisch) vernetzt, um gemeinsam an Patientenfällen zu arbeiten. Einheitliche Leitlinien, gemeinsame Standards und abgestimmte Schnittstellen würden für effiziente Patientenbehandlungen sorgen.

 

Gemeinsame Verantwortung & Budgets

Statt Getrenntfinanzierung (KV/DRG/Heimkosten) gäbe es gebündelte oder geteilte Budgets für definierte Regionen, Patient*innengruppen oder Erkrankungen. Leistungserbringer würden sich die Verantwortung für die Qualität, für die Kosten und die betrieblichen Ergebnisse fair – nämlich entsprechend ihrer jeweiligen Leistungserbringungen – aufteilen.

 

Koordinations- und Case-Management

Interdisziplinäre Teams (Ärzt*innen, Pflegepersonal, Therapeut*innen und Sozialarbeiter*innen - jeweils begleitet durch intensive digitale Unterstützung) würden Patient*innen durch die Versorgung führfen und begleiten. Professionelles Überleitungsmanagement (z.B. bei Entlassung aus Krankenhaus) zwischen den einzelnen Leistungserbringern wäre systematisch ausgeprägt.

 

Digitale und organisatorische Interoperabilität

Die elektronische Patientenakte würde als zentraler „Point of Truth“ alle relevanten Patienteninformationen für autorisiertes Gesundheitspersonal bereitstellen. Interoperable Dokumentations- und Kommunikationssysteme würden diese stets aktuell halten, sodass valide Echtzeitdaten zu den behandelnden Personen sichergestellt wären. So würde für alle beteiligten Leistungserbringer (inkl. bei Patient*innen und bei Wunsch/Bedarf auch deren Angehörige) volle Transparenz über den gesamten Behandlungsverlauf gegeben sein.

 

Regionale Steuerung & Governance

Eine regionale Versorgungsplanung, die sektorenübergreifend definiert, welche Kapazitäten wo und wann gebraucht werden (im Krankenhaus, in ambulante Zentren, in der Pflege) könnte wertvolle Zeit und Ressourcen sparen. Die Beteiligung von Krankenkassen, Kommunen, Leistungserbringern und Patient*innen wäre möglich.

 

Gute Argumente für ein sektorenübergreifendes Gesundheitssystem

Für Patient*innen

  • Kontinuität der Behandlung: 
    Keine Informationsbrüche beim Übergang von einem Leistungserbringer zum nächsten entlang der Patient Journey (z.B. von der Akutklinik zur Hausarztpraxis oder in die Reha).
  • Bessere Behandlungsqualität: 
    Eine umfassend koordinierte Behandlung senkt das Risiko von Doppeluntersuchungen, Medikationsfehlern und von Informationsverlust.
  • Stärkere Orientierung am Alltag: 
    Die Versorgung findet stärker ambulant und wohnortnah statt.
  • Einfacherer Zugang: 
    Ein Ansprechpartner (z.B. ein Care Manager oder ein integriertes Versorgungszentrum) im System anstelle von „Lotsen durch Behörden-Dschungel“ führen zu erheblicher Prozessbeschleunigung und Kundenorientierung.

 

Für das Gesundheitssystem

  • Nachhaltige Effizienzgewinne: 
    Weniger Doppeluntersuchungen, kürzere Verweildauern, weniger unnötige Krankenhausaufenthalte und weniger Re-Hospitalisierungen sind die Folgen eines übergreifend koordinierten Ablaufs.
  • Flexiblere Ressourcennutzung: 
    Ohnehin knappe Experten-Kapazitäten können bedarfsgerecht gesteuert werden - es gibt deutlich weniger Fehlanreize durch Sektorengrenzen, eine deutlich effizientere Mittelverwendung wäre gegeben.
  • Starke Innovationsförderung: 
    Neue Versorgungsmodelle (digitale Monitoring-Programme, Telemedizin, sektorenübergreifende Zentren) werden leichter integrierbar.

 

Für Gesellschaft / Politik / Volkswirtschaft

  • Kostendämpfung bei besserer Behandlungsqualität: 
    Die ohnehin stetig knapper werdenden Finanzmittel werden zielgerichteter eingesetzt.
  • Gesundheitliche Chancengleichheit: 
    Versorgungslücken (insbesondere in ländlichen Regionen) können durch koordinierte Strukturen besser geschlossen werden.
  • Stärkung der Prävention: 
    Die kontrollierte Integration von Public Health und von Sozialleistungen macht es erheblich leichter, Krankheitslast zu senken.
  • Resilienz in Krisen: 
    Integrierte Steuerung erleichtert es, benötigte Ressourcen (z.B. Betten, Personal, Impfzentren) schnell umzuleiten.

 

Welche Risiken sind erkennbar?

Es sind sowohl Interessenkonflikte zwischen heutigen Sektoren zu erwarten (Krankenhäuser vs. niedergelassene Ärzte), als auch Barrieren aufgrund von unvermeidbaren Übergangsverlusten für Leistungserbringer (finanzielle Winner/Loser). Zudem ist eine Systemänderung unweigerlich mit einem hohen Maß an politischem Widerstand und einem außerordentlich hohen Koordinationsaufwand verbunden. Daher wären Übergangsfinanzierungen und klare Evaluationskriterien wichtig. 

 

Was wäre zu tun, um voran zu kommen?

Um das deutsche Gesundheitswesen intersektoral zu machen, braucht es gleichzeitig tiefgreifende Eingriffe:

 

Schaffung der gesetzlichen und politischen Voraussetzungen

  • SGB-Reform - Schaffung einer sektorenübergreifende Rechtsgrundlage: 
    Aktuell regelt das SGB V viele Leistungen sektoral (Vertragsärzte vs. Krankenhäuser). Klar definierte Rechtsnormen für einen „Einheitlichen Versorgungsbereich“ bzw. explizite Befugnisse für sektorenübergreifende Verträge sind nötig. (Änderungen im SGB V, Krankenhausrecht, Landeskrankenhausgesetze).
  • Überwindung der dualen Krankenhausfinanzierung: 
    Die klassische Trennung (Investitionskosten durch die Länder / Betriebskosten durch die Kassen) schafft Zielkonflikte. Eine Revision oder Mechanismen zur Abstimmung von Investitionen und dem Betrieb wären erforderlich.
  • Stärkung der Planungsbefugnisse auf regionaler Ebene: 
    Länder und regionale Gremien müssten verbindliche, sektorenübergreifende Versorgungspläne erstellen und durchsetzen (statt isolierter Krankenhaus- oder Kassenplanung).

 

Finanzierungsänderungen

  • Gemeinsame/gebündelte Budgets (regional): Statt getrennten Budgets für Kliniken und niedergelassene Ärzte müsste es ein regionales Gesamtbudget (oder Subsume-Budgets für bestimmte Pfade/Patientengruppen) geben, die mit gemeinsamen Ausgaben-Zielen unterlegt sind. Dies würde "Verlagerungs-Anreize“ reduzieren - Studien belegen, dass DRG-orientierte Finanzierung sektorale Verzerrungen erzeugt.
  • Zahlungsmodelle neu ausrichten: Einführung von "Bundled Payments", Capitation-Elementen, Pay-for-Coordination und Shared-Savings-Modellen bei definierten Pfaden (z.B. bei Schlaganfall, Herzinsuffizienz, Onkologie). Damit würden Anreize gesetzt, die Versorgung zu koordinieren statt Leistungen zu maximieren.
  • DRG-Reform / Entkopplung von Fallzahl-Anreizen: 
    Das DRG-System müsste dahingehend anpasst werden, um Veranlassungen zu vermeiden, die auf künstliche Fall­aufteilungen bzw. unnötige stationäre Aufenthalte setzen. Parallel wären Pauschalen oder Vergütungsadditive für koordinierende Leistungen (Case Management, Übergabemanagement) sinnvoll.

 

Governance, Verträge, Akteure

  • Regionale Versorgungs-Boards (öffentlich-privat; mit Krankenkassen, KVen, Krankenhäusern, Patientenvertretern, Kommunen) sollten zur Steuerung, Priorisierung, Budgetallokation und zur genehmigenden Rolle für sektorenübergreifende Verträge agieren.
  • Erweiterung und Standardisierung sektorenübergreifender Verträge: 
    Mehr Nutzung rechtlich klarer Integrierter Versorgungsverträge (Selektivverträge, Integrierte Vergütungsmodelle) — flankiert von Evaluations- und Qualitätskriterien. Innovationsfonds-Projekte zeigen, wie Pilotierung funktioniert.

 

Digitalisierung & Daten

  • Patientenzentrierte Interoperabilität: 
    Ein zügiger Ausbau der Telematik-Infrastruktur und interoperabler elektronischer Patientenakten (mit Patientenhoheit und Consent Management) ist zwingend erforderlich - denn ohne verlässliche Datenteilung bleiben „Therapiebrüche“ bestehen.
  • Standards & Schnittstellen: 
    Einheitliche Dokumentationsstandards, Übergabe-Templates und Schnittstellen zu Reha, Pflege und Sozialdiensten leisten einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung von Gesundheitsdaten.

 

Arbeitsmarkt, Qualifikation, Organisation

  • Task-Shifting & Stärkung der ambulanten Kompetenz: 
    Ambulantisierung braucht mehr ambulante Fachkräfte, erstattungsfähige Versorgungszentren und den Ausbau von MVZs. Weiters werden im Community-Setting Pflege/Case-Manager benötigt.
  • Interprofessionelle Vergütung: 
    Honorare/Paare-Belohnungen für funktionierende Teamarbeit, Koordination und konkrete Versorgungspfad-Ergebnisse wären sinnvolle Beispiele für Anreizsysteme.

 

Finanzielle Begleitung & Übergang

  • Übergangsfinanzierung / Investitionsfonds:
    Staatliche Brückenfinanzierung sind erforderlich, um den Strukturwandel und den Ausbau von ambulanten Angeboten für betroffene Krankenhäuser insolvenzfrei finanzieren zu können. Die Krankenhausreform-Diskussion 2024/25 betont, dass ohne Geld «ambulant vor stationär» schwer umzusetzen ist.
  • Piloten & Evaluationspflicht: 
    Innovationsfonds-artige Skalierungen sind zu empfehlen: Testen, evaluieren, dann ausrollen.

Auf einen Blick: Merkmale von sektoralen vs.sektorenübergreifenden Gesundheitssystemen.

Ein sektorenübergreifendes Gesundheitswesen bedeutet Versorgung aus einem Guss, nicht aus "getrennten Töpfen". Der entscheidende Vorteil dieses Ansatzes sind bessere Behandlungsergebnisse bei gleichzeitig höherer Effizienz und Steuerbarkeit des Systems.