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Patientensicherheit: 
Best Practice als lehrreiches Beispiel

2. August 2022 | QUALITAS Redaktion
Ärztin hält Identifikationsband für Patienten in Händen.
Ärztin hält Identifikationsband für Patienten in Händen.

Die „Initiative Patient*innensicherheit Steiermark“ (IPS) des Gesundheitsfonds Steiermark vereint ihre Mitgliedsorganisationen – alle steirischen Fondsspitäler und Einrichtungen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt AUVA – seit 2010 im praxisorientierten Streben nach verbesserter Patientensicherheit. Der Austausch von Best Practice Beispielen für die Bearbeitung von Meldungen aus den verbindlichen Learning & Reporting Systemen ist ein integrierender Faktor des gemeinsamen Lernens. Die IPS-Mitglieder geben für die QUALITAS mit konkreten Beispielen Einblick in ihre Arbeit.

Best-Practice-Bearbeitungen untereinander in Form von Best-Practice-Reports auszutauschen, ist nur eine der vielen „freiwilligen Verpflichtungen“ für die IPS-Auszeichnung. Von den IPS-Mitgliedern sind zudem alle drei Jahre das IPS-Review-Verfahren zu absolvieren, die gemeinsam entwickelten IPS-Indikatoren anzuwenden und im jährlichen IPS-Indikatoren-Netzwerktreffen die Fortschritte der Patientensicherheitsarbeit zu vergleichen und dadurch voneinander zu lernen; nicht zuletzt sich aktiv an IPS-Jahrestagung und IPS-Methodenschulungen zu beteiligen.

Die Arbeit für die kontinuierliche Verbesserung der Patientensicherheit basiert auch auf der Nutzung von Meldungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den hausspezifischen Learning & Reporting-Systemen. Vor allem ist die wirksame Umsetzung der multiprofessionell im Team erarbeiteten Lösungen das bisweilen harte Brot, an dem IPS-Mitglieder täglich kauen, sich aber die Zähne noch nie ausgebissen haben: der Austausch intern wie extern mit Kolleginnen und Kollegen hilft dabei. Seine Offenheit ist Beweis für die funktionierende Kooperation in der IPS-Familie. 

Vier Beispiele für konkrete Meldungsbearbeitungen in IPS-Krankenanstalten illustrieren diese Zusammenarbeit.

 

1) Verwechslungen im Rahmen der Medikation

Fallbeschreibung 
(Was ist passiert?)

■ CIRS-Meldungen und Patientenäußerungen (aus dem Patientenfeedbacksystem), dass Medikamente falsch dispensiert wurden (falsche Tageszeit, falsches Medikament).
■ Management von oralen Medikamenten auf Bettenstationen ist durch berufsrechtliche Vorgaben und dienstrechtliche Vorschriften geregelt.
■ Die Thematik der Medikamentenverwechslung wird im Rahmen des Risikomanagements berücksichtigt und als Risiko „Medikamentensicherheit“ identifiziert.
■ Seitens des Krankenanstaltenträgers wurden bereits Evaluierungen des Managements von oralen Medikamenten auf Bettenstationen durchgeführt. Zusätzlich gab es 2021 auch den Auftrag, eine Selbstevaluierung in diesem Bereich durchzuführen.

Ursachenanalyse 
(Warum ist es passiert?)

Lärm, wenig Zeit, fehlender Raum, die Unlesbarkeit der Fieberkurve kann auch zu falschen Medikamentenverabreichungen führen, häufiger Wechsel der Medikamente (Generika).

Erarbeitung von Lösungen und Umsetzung 
(Was wurde zur Problembeseitigung unternommen?)

■ Fixe Dispensierzeiten auf Stationen einführen. Störungen können dadurch eher vermieden werden.
■ Gesonderten Raum für die Dispensierung nutzen.
■ Striktes Einhalten des 4-Augenprinzipes.
■ Veränderungen der Medikation außerhalb der Visitenzeiten werden der Pflege direkt übergeben.
■ Monatliche Stichprobenerhebungen auf der Station.
■ Blockbuchstaben bei Anordnung von Medikamenten verwenden.
■ Medikamenteninfo-Portal wieder in Erinnerung gerufen und MA geschult.
■ Generikawechsel wird primär über die Arzneimittelkommission weitergegeben.

 

Evaluierung (Wie werden bzw. wurden die gesetzten Maßnahmen überprüft?)

Selbstevaluierung des Managements von oralen Medikamenten auf Bettenstationen unter Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Apotheke, des ärztlichen Dienstes, des Pflegedienstes und der Stabsstelle QM/RM (QMK Mitglieder).

Kriterien lt. Fragebogen: Dokumentation auf der Fieberkurve (Lesbarkeit der ärztlichen Anordnung, korrekter Name, Dosierung, Art der Verabreichung, Verabreichungsintervall, Paraphe auch bei Änderungen vorhanden), Verordnete Medikamente im Dispenser, richtige Einnahmezeiten, Bedarfsmedikation.

Methode: Stichprobenerhebung auf allen Stationen (ausgenommen COVID Stationen).

 

2) Richtige Handhabung und Anwendung von Dosieraerosolen durch die Patienten kann nicht sichergestellt werden.

Fallbeschreibung (Was ist passiert?)

Bei der Befragung von Patienten während der Visite konnte die richtige Handhabung und Anwendung der Dosieraerosole (wie oft und viele Hübe pro Tag?) nicht sichergestellt werden. Die Handhabung der Dosieraerosole durch die Patienten war nur eingeschränkt nachweisbar.

Ursachenanalyse 
(Warum ist es passiert?)

Patienten bestätigen, sich bei der Handhabung der Dosieraerosole auszukennen und dass die Anordnung verstanden wurde. Keine Kontrolle durch die Pflegeperson, ob die Handhabung der Dosieraerosole richtig ist.

Erarbeitung von Lösungen und Umsetzung 
(Was wurde zur Problembeseitigung unternommen?)

Eine genaue Erklärung der Handhabung der Dosieraerosole mit anschließender praktischen Überprüfung:
■ Bei Patienten, die Dosieraerosole von zu Hause mitbringen und bestätigen, dass die Handhabung und Anwendung bekannt ist und praktische Überprüfung durch DGKP.
■ Bei Patienten, bei denen die Handhabung nicht sichergestellt ist, Übernahme der Verabreichung durch DGKP und Vermerk auf der Fieberkurve in Rot „Plan“ oder „Pat. selbst“.
■ Auf einem eigenen Plan, wo auch die gesonderte Verabreichung von Tropfen steht, wird nun zusätzlich die Verabreichung für die Dosieraerosole vermerkt.

Evaluierung 
(Wie werden bzw. wurden die gesetzten Maßnahmen überprüft?)

Anhand der rückgemeldeten CIRS-Meldungen (keine weiteren Meldungen zu dieser Thematik).

 

3) Sturzprävention durch angepassten Schuh

Fallbeschreibung 
(Was ist passiert?)

Es kam immer wieder zu Stürzen von Patientinnen und Patienten und gefährlichen Situationen im Stationsalltag sowie während der Therapien.

Ursachenanalyse 
(Warum ist es passiert?)

■ Mangelnde Versorgung mit sicherem Schuhwerk als wichtiger extrinsischer Risikofaktor identifiziert.
■ Bei Akutereignissen kommen Patienten oft ohne Schuhe, mit Socken oder offenen Hausschuhen ins Krankenhaus.
■ Risiko für gefährliche Situationen und Verzögerungen des Therapiebeginns aufgrund der Sturzgefahr durch mangelhaftes Schuhwerk.
■ Für geriatrische Patienten sind spezielle Schuhe erforderlich.

Erarbeitung von Lösungen und Umsetzung 
(Was wurde zur Problembeseitigung unternommen?)

Reduktion von Patientenstürzen durch ein multidimensionales und multiprofessionelles Interventionsprogramm (zusätzlich zur geltenden Evidence-Based-Guideline zur Sturzprävention):
■ Zusammenfassung aller möglichen Maßnahmen zur Reduktion der Sturzgefahr in den einzelnen Berufsgruppen.
■ Optimierung der Sturzprävention durch Synergiebildung zwischen berufsspezifischen, sturzpräventiven Maßnahmen sowie Ermittlung des Einflusses auf andere Berufsgruppen und Angehörige.
■ Definition und bestmögliche Reduktion extrinsischer Sturzfaktoren.
■ Entwicklung des Schuhs nach Anforderungen der Physiotherapeuten in der Krankenanstalt in enger Zusammenarbeit mit einem Orthopädiefachgeschäft.
■ Patienten in Entwicklungs- und Testphasen miteinbezogen und deren Rückmeldungen in die Optimierung des Schuhs eingearbeitet.
■ Nachhaltigkeit: hochwertiges Naturprodukt, heimischer Gewerbetrieb, kurze Transportwege, geringer ökologischer Fußabdruck.
■ Sofortiger Therapiestart durch die rasche Versorgung mit einem optimalen Schuh.
■ Schnellere Verbesserung der Selbstständigkeit und Autonomie der Patienten.
■ Minimierung des Sturzrisikos.
■ Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
■ Schuh ist vorrätig und kann jederzeit über die Physiotherapie bezogen werden.

Evaluierung 
(Wie werden bzw. wurden die gesetzten Maßnahmen überprüft?)

■ Evaluierung über die Sturzrate und die bei den Sturzprotokollen angegeben sturzauslösenden Faktoren.
■ Sturzrate konnte bereits im ersten halben Jahr nach Einführung des Schuhs nachweislich verringert werden.
■ Angebot wird von Patienten/Angehörigen gerne in Anspruch genommen.

 

4) Zwischenfall im Rahmen der Notfallversorgung

Fallbeschreibung 
(Was ist passiert?)

Missverständnisse in der Kommunikation und eine Fehleinschätzung der Situation durch Mitglieder des Notfallteams führten zu Komplikationen während der Versorgung.

Problemintensität: folgende Qualitätsmerkmale werden negativ beeinträchtigt: Patientensicherheit, angemessene Versorgung, Wirksamkeit der Versorgung, Wirtschaftlichkeit.

Risikoeinschätzung: hohes Risiko (Wahrscheinlichkeit denkbar/Konsequenz schwer).

Ursachenanalyse 
(Warum ist es passiert?)

Verschiedene Faktoren erschwerten das professionelle Arbeiten und die Zusammenarbeit im interprofessionellen bzw. interdisziplinären Team. Dies wirkte sich wiederum negativ auf das Notfallmanagement in dieser Akutsituation aus. Folgende Ursachen wurden identifiziert: keine eindeutige Aufgabenverteilung, Teamleader undefiniert (der überwiegende Teil der Anwesenden hat „keinen Teamleader“ wahrgenommen oder erkannt), fehlende „Closed loop“ Kommunikation, mangelnde Übergabe (Patient und Situation), beengte Situation durch zu viele Personen vor Ort (ca. 17!).

Erarbeitung von Lösungen und Umsetzung 
(Was wurde zur Problembeseitigung unternommen?)

Der Vorfall wurde im Rahmen einer umfassenden Fallanalyse gemäß London Protokoll aufgearbeitet. Folgende Maßnahmen im Bereich Organisation des Medizinischen Notfallteams (MET) mit dem Fokus auf Führung, Entscheidungsfindung & Kommunikation sowie Teamwork & Situationsbewusstsein wurden umgesetzt:
■ Team-Leader-Kennzeichnung: Signal-Westen als Kennzeichnung für den Teamleader.
■ Neue Aufgabenverteilung Kernteam (MET-Projektgruppe).
■ Routine-Briefing/Debriefing: täglich in der Früh ein Routine-Briefing des Notfallteams; Ziel: gemeinsames Mindset in Bezug auf das Rollenmodell (Leitung: Teamleader).
■ Strukturierte Übergabe an Notfallteam oder beim Eintreffen weiterer Keyplayer.
■ Unterstützende Einsteckkarten für Teamleader (10 für 10, SpeakUp einfordern, 4 Hs und HITS etc.).
■ Neuüberarbeitung des Konzepts der Herzalarmverständigungskette, damit nicht zu viele Mitarbeiter gleichzeitig vor Ort eintreffen.

Begleitend wurden folgende systemische Maßnahmen initiiert: Training in den ILS-Kursen und Simulationstrainings, Simulationstraining für MET-Einsätze, Einteilung Teamleader am Dienstplan: für alle Mitarbeiter über Intranet ersichtlich, unterstützende „Speak Up“ Kampagne im gesamten KH.

Evaluierung 
(Wie werden bzw. wurden die gesetzten Maßnahmen überprüft?)

■ Laufende Analyse der Protokolle zu den Notfallteam Einsätzen,
■ halbjährliche strukturierte Evaluierungsgespräche mit den Notfallteammitgliedern,
■ jährliche Befragung im Rahmen der Stationsleiter- und Ärzteteambesprechungen und
■ laufende Auswertung der Fälle aus dem Chancen- und Risikomanagement.

 

Die QUALITAS-Redaktion dankt Mitgliedern und Leitung der IPS für die exklusive Möglichkeit des Abdrucks und verweist gerne auf die weiterführenden Informationen über Struktur, Arbeitsweise und Ergebnisse, zu finden unter https://gesundheitsfonds-steiermark.at/qualitaetsarbeit/patientinnensicherheit/

Quelle: QUALITAS, 02/2022, Springer-Verlag.

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