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Punkterennen

13. Oktober 2022 | Elisabeth Rudolph
Krankenhausärzte und Patient vor OP im OP-Saal.
Krankenhausärzte und Patient vor OP im OP-Saal.

Die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung LKF ist eines der zentralen Lenkungsinstrumente des österreichischen Gesundheitssystems. 2025 soll das System novelliert werden. Hauptkritikpunkt: Pflegeleistungen sind in dem Modell nicht sichtbar.

Im Juni muss das System gewartet werden. So gilt es zumindest für das heimische LKF. Ausgeschrieben handelt es sich um das System der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung. Aber weil niemand genug Zeit für dieses Wortmonster hat, zählt LKF in der Sprache der österreichischen Gesundheitsmanager zu den meistverwendeten Akronymen. Heuer haben die Anpassungen – wie immer – wenig Revolutionäres gebracht: Die „Änderungen und Neuerungen in den LKF-Modellen 2023“ unterscheiden sich kaum von den Maßnahmen der vergangenen Jahre. Ein paar neue Leistungspositionen hier und ein paar Änderungen bei Leistungseinheiten dort ergeben 38 A4-Seiten, in denen Krankenhausleistungen neu definiert, geändert, codiert und gewichtet werden. Jede Leistung bringt Punkte. Grob gesagt: Am Ende des Tages sollen die Punkte die Leistungen des jeweiligen Spitals definieren und honorieren.

 

Honorarsystem für Spitäler

Das LKF-System wurde 1997 eingeführt, um stationäre Krankenhausaufenthalte in ihren Leistungen zu bestimmen. Es beinhaltet die Festlegung der Finanzierungsvolumina, die Ermittlung der abzurechnenden LKF-Punktewerte, die allenfalls zu berücksichtigenden Versorgungsfunktionen bestimmter Krankenanstalten sowie zusätzliche Regelungen zur Finanzierung von Investitionen und von weiteren Leistungsbereichen (z.B. spitalsambulanter Bereich, Schulungseinrichtungen). 

Das LKF bestimmt, wie die heimischen Spitäler zu ihrem Geld kommen. Das System ist so kompliziert wie die Leistungen, die in einem Spital erbracht werden.

Pro Patienten und medizinischer Behandlung gibt es Punkte. Eine Blinddarmentzündung wird zunächst in eine finanzierungsrelevante Kategorie (Hauptdiagnosegruppe – HDG) gemäß international einheitlicher Codes eingeordnet. Die medizinische Einzelleistung (MEL) entspricht der Blinddarmoperation. Danach verzweigt sich das Bepunktungssystem: HDG und MEL führen in leistungs- und diagnoseorientierte Gruppen (LDF) mit Leistungs- und Tageskomponenten. Letztere umfassen Basisleistungen, pflegerische oder ärztliche Betreuung sowie Medikamentenkosten. In der Leistungskomponente werden z.B. Operationen oder ähnliches abgegolten. Relevant ist bei dieser weiteren Unterteilung auch das Patientenalter – hier wird mit Durchschnittswerten die Aufenthaltsdauer bepunktet. Kann der Patient früher nach Hause gehen, schaut am Ende mehr Geld für das Krankhaus heraus.

Auch nicht operative Leistungen (z.B. eine Chemotherapie) werden als sogenannte medizinische Einzelleistungen erfasst. Wird keine MEL erbracht, ist weiterhin die Hauptdiagnose relevant. Werden mehrere finanzierungsrelevante MEL erbracht, addieren sich die Punkte der Leistungskomponenten der jeweiligen Fallpauschalen. Sonderbereiche wie Intensivstationen, palliative Medizin oder Geriatrie werden gesondert bepunktet. Die Punkteanzahl entspricht grob dem Aufwand an Ressourcen wie Personal, Raum oder Materialien. Eine Blinddarmoperation bringt ca. 3.500 LKF-Punkte.

Dietmar Ranftler, <br>Leiter der Organisationsentwicklung KABEG-Management <br>und Unternehmensberater. 
Dietmar Ranftler, Leiter der Organisationsentwicklung bei KABEG-Management und Unternehmensberater. 
Pflege ist berücksichtigt, nur weiß das keiner.“

Dietmar Ranftler, 
Leiter der Organisationsentwicklung KABEG-Management 
und Unternehmensberater. 

Wert ist nicht gleich Wert

Blinddarmoperation ist nicht gleich Blinddarmoperation. Wer in einem Universitätskrankenhaus oder einer Einrichtung mit spezieller Versorgungssituation in einem anderen Bundesland operiert worden ist, mobilisiert bundesweit dieselbe Punkteanzahl. Der Abrechnungsbetrag ist aber oft verschieden. Die Punktezahl einzelner Leistungen oder Diagnosen (LDF) ist zwar österreichweit gleich, nicht aber deren Wert. Das liegt daran, dass Spezialkrankenhäusern ein höherer Aufwand zugebilligt wird, der mit mehr Geld pro Punkt abgegolten wird.

Grundsätzlich unterscheidet das LKF-Modell zwei Finanzierungsbereiche: Einen einheitlichen bundesweit festgelegten Kernbereich mit Tages- und Leistungskomponenten und einen länderweise unterschiedlichen Steuerungsbereich. Dieser umfasst den Krankenhaustyp, die apparative Ausstattung oder den Spezialisierungsgrad.

 

Wichtige Leistungen nur indirekt codiert

Blättert man durch das umfangreiche Dokument, in dem alle Codes für diverse medizinische Behandlungen aufgelistet sind, fällt eines auf: Pflege, Physiotherapie oder ähnliches haben keine Punkte. Keine Punkte – kein Geld müsste der logische Umkehrschluss lauten. Denn Pflege stellt keine Leistung dar, die im LKF-Modell explizit abgebildet ist. Aber die Kosten werden dennoch berechnet. Bei der Kalkulation des Tagessatzes werden die täglichen Kosten einer Station erhoben. Dazu gehören sowohl diagnostische Arbeiten im Vorfeld als auch therapeutische Maßnahmen. So kommt es, dass eine Reihe von Leistungen zwar abgebildet werden, aber nicht direkt bepunktet sind. Bei der Pflege erfolgt das z.B. anhand der Pflege-Personalregelung (PPR): Hier wurden Daten aus mehreren Krankenanstalten herangezogen und gezielt der Pflegeaufwand kalkuliert. Der Nachteil dieser indirekten Bepreisung: Pflege ist in den Leistungs- und Kostendarstellungen des extramuralen Bereiches nicht sichtbar. Für Kritiker ist dies einer der Hauptgründe, wa­rum der Pflegebereich jahrzehntelang in Planung und Wertschätzung stiefmütterlich behandelt wurde. Pflege hat bis heute in den Abrechnungen keinen sichtbaren Stellenwert.

 

Der lange Weg zum LKF-Modell

Das LKF-Modell ist die österreichische Version des international bekannten Diagnosis Related Groups (DRG)-Systems, ebenfalls ein Klassifikationssystem für ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren von Behandlungen in einem Krankenhaus. Vor der Einführung des LKF-Modells wurde pro Spitalstag eine Pauschale berechnet. Das führte mitunter dazu, dass Patienten länger als notwendig im Krankenhaus blieben und die Kosten unnötig anstiegen. Die Abrechnung über das LKF-System sieht zwar auch Pauschalen vor, diese sind jedoch von der Diagnose und der Leistung abhängig. Insgesamt zeigt sich, dass Patienten bei gleichem Heilungsstand das Spital früher verlassen können. Eine weitere Verkürzung der Aufenthalte ist laut Ranftler nicht mehr möglich, aber man könnte durchaus mehr ambulant machen. Und das ist eben auch das Besondere am österreichischen Modell im Vergleich zu anderen DRG-Systemen: 

Es beinhaltet auch den spitals­ambulanten Bereich. Dieser wurde 2017 in das bestehende Modell integriert und ist seit 2019 verpflichtend anzuwenden.

 „Das ambulante LKF-System ist eine Weltsensation“, erklärt Ranftler begeistert. Fast neidisch blicken manche Länder auf unsere Version, denn die Erweiterung um den ambulanten Bereich verbessert nicht nur die Transparenz des Leistungsgeschehens, sie unterstützt auch den stationären Bereich. Dennoch wird auch Kritik am Modell laut: Es könnte Anreize zur Punktemaximierung geben. Das ist nach Auskunft des Experten aber eher ein Paradoxon, denn genau das soll durch die Geldverteilung verhindert werden, anders als beim Preissystem-basierten DRG-Modell. „Unerwünschte Anreize sind eher ausgeschlossen“, resümiert Ranftler.

 

2025: Weichenstellung für die Zukunft

Es gehört zum Wesen des LKF-Modells, dass es nur dann systemsichernd wirkt, wenn es sich über längere Zeit entwickeln kann. „2017 war der letzte große Umbruch, als das ambulante LKF-Modell eingeführt wurde“, betont Ranftler. Allerdings wird es bis 2025 zu einer Nachkalkulation und einer umfassenden Evaluierung und Weiterentwicklung der LKF-Modelle kommen. Für Ranftler gibt es einiges Verbesserungspotenzial: Er empfiehlt die qualitätsbasierte Bewertung der Leistungen. Passt die Qualität, bekommt man mehr Geld, passt sie nicht, bekommt man weniger. Die Anreize für mehr Qualität in Krankenanstalten würden steigen. 

 

Literatur:

Quelle: ÖKZ, 63. JG, 10/2022, Springer-Verlag.

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